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9783895002502

Rzehak, Lutz

Vom Persischen zum Tadschikischen

Sprachliches Handeln und Sprachplanung in Transoxanien zwischen Tradition, Moderne und Sowjetmacht (1900 bis 1956)

2001
17,0 x 24,0 cm, 476 S., 15 s/w Abb., 18 Tabellen, Gebunden
59,00 €

ISBN: 9783895002502

Kurze Beschreibung

Diese Arbeit untersucht auf der Basis zeitgenössischer Quellen den Wandel der persisch-tadschikischen Sprache Transoxaniens von einer Sprache, die im multilingualen Milieu Mittelasiens eine führende Position in den Bereichen Religion, Wissenschaft, Literatur, Verwaltung, Schriftverkehr und Handel innehatte, zu einer Sprache, deren Funktion weitgehend auf ihre Rolle als Primärsprache einer nach nationalen Kriterien definierten Sprechgemeinschaft reduziert wurde. Die sozialen und linguistischen Merkmale, die diese Sprache in der Zeit vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ende der Stalinära kennzeichneten, werden beschrieben und in ihrer Beziehung zu den Faktoren analysiert, die das sprachliche Handeln der Persisch-Tadschikischsprecher in dieser Zeit beeinflussten. Zu diesen Faktoren gehören geistes- und ideengeschichtliche Entwicklungen, politische und ideologische Absichten, wissenschaftliche und technische Innovationen und nicht zuletzt die sprachliche Kompetenz der Sprecher. Besondere Aufmerksamkeit erfahren dabei die islamisch-modernistische Aufklärungsbewegung der vor- und frühsowjetischen Zeit, Ideologie und politische Programmatik der Bolschewiki während und nach ihrer Machtergreifung, die verschiedenen Spielarten des Turkestan-Nationalismus und des tadschikischen Nationalismus in seinen einzelnen Entwicklungsphasen, die kommunistische Weltanschauung, die großen sprachplanerischen Unternehmungen zur Entwicklung einer „tadschikischen Literatursprache” und der zweifache Schriftwechsel.
Vor dem Hintergrund der von Wissenschaftlern, Politikern und Sprachaktivisten bis zum heutigen Tag mit vielen Emotionen geführten Diskussion über die Frage, ob das „Tadschikische” eine vom „Persischen” zu unterscheidende Sprache darstellt oder nicht, besteht eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit in der Erkenntnis, dass die persisch-tadschikische Sprache Transoxaniens im Untersuchungszeitraum keine naturwüchsige Einheit darstellt, die sich aus sich selbst heraus als solche definieren ließe, sondern dass sie aus politischen, ideologischen oder anderen Absichten, die immer Absichten von Menschen waren, als „Sprache” definiert und konstruiert wurde.

Rezensionen

„Lutz Rzehak analysiert in seiner Habilitationsschrift „Vom Persischen zum Tadschikischen“ die Entstehung einer modernen tadschikischen Nationalsprache unter den spezifischen Bedingungen sowjetischer Nationalitätenpolitik. Ausgangspunkt seiner Untersuchung ist die persische Sprache, die noch um die Jahrhundertwende in ganz Transoxanien nicht nur im religiösen Bereich dominiert, sondern in fast allen Lebensbereichen als Sprache der Verständigung in einer multilingualen Umgebung dient. (...)
Rzehak gelingt es, die Entwicklung dieser Sprache vom „Persischen“ zum „Tadschikischen“ nicht nur entlang ideologischer Diskussionen, sondern auch in der gesprochenen Sprache nachzuzeichnen. (...) Die Einordnung der sowjetischen Sprachpolitik als „Russifizierung“ oder „Förderung autochthoner Sprachen“ bleibt leider unscharf. Umgekehrt können aber Historiker, die sich mit der Nationalitätenpolitik der Sowjetunion beschäftigen, nun auf eine fundierte sprachwissenschaftliche Arbeit über exogene und endogene Faktoren des tadschikischen Sprachwandels unter den Bedingungen der Sowjetherrschaft zurückgreifen, die den Blick von Moskau weg auf das sprachliche Handeln einzelner Personen und Gruppen lenkt.“

In: Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas. 52 (2004) 2. S. 318.

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