(0)
9783895000294

Heiler, Franz

Bildung im Hochstift Eichstätt zwischen Spätmittelalter und katholischer Konfessionalisierung

Die Städte Beilngries, Berching und Greding im Oberamt Hirschberg

1999
17,0 x 24,0 cm, 376 S., zahlreiche Tabellen und 2 Karten, Leinen
42,00 €

ISBN: 9783895000294

Kurze Beschreibung

Im Mittelpunkt stehen mit Beilngries, Berching und Greding drei Landstädte im süddeutschen Hochstift Eichstätt, die als Amtssitze im sog. Oberamt Hirschberg administrativ zusammengefaßt sind. Die vorliegende Abhandlung nimmt eine in sich relativ geschlossene Kleinregion zum Gegenstand, als deren Kristallisationspunkte die drei genannten Kleinstädte gelten dürfen. Zugleich wird damit der Blick auf eine Größenkategorie städtischer Ansiedlungen gelegt, deren schulische Einrichtungen bislang von Seiten der Forschung nur wenig Beachtung fanden.
Im Unterschied zu anderen Untersuchungen bietet der hier gewählte Zeitrahmen (von den ersten Erwähnungen von Schulen im 14. bzw. 15. Jahrhundert bis ins beginnende 17. Jahrhundert hinein) bewußt die Möglichkeit eines Vergleichs von spätmittelalterlichen und nachreformatorischen Verhältnissen.
Ausgehend von den politischen, verfassungsmäßigen, wirtschaftlichen und kirchlichen Rahmenbedingungen um 1500 sowie deren Veränderung unter den Vorzeichen von Reformation und katholischer Konfessionalisierung wird zunächst die Entwicklung des Schulwesens in Beilngries, Berching und Greding von den Anfängen bis kurz nach 1600 aufgezeigt, wobei auch die Klosterschule der Abtei Plankstetten mit berücksichtigt wird. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich jedoch nicht allein auf das Phänomen Schule, sondern bezieht in umfassender Weise alle Aspekte des Bildungswesen mit ein: eingehende Würdigung erfahren die Berchinger Prädikatur und deren Bibliothek sowie die Studienstiftungen aus dem Gebiet des Oberamtes Hirschberg (Edition der Stiftungsurkunden im Anhang).
Einen zweiten Schwerpunkt der Untersuchung bilden die aus den drei Städten im genannten Zeitraum hervorgegangenen Studenten. Zunächst steht dabei die Entwicklung des Hochschulbesuchs bis 1600 (bzw. bis 1630) im Mittelpunkt. Komplementär zu den lokalen Quellen gibt der Verlauf der Frequenzkurven Auskunft über das Florieren der Schulen (Höhepunkt des Universitätszugangs etwa zwischen 1470 und 1520). Darüber hinaus thematisiert dieser Teil der Abhandlung die Verteilung der Studenten aus Beilngries, Berching und Greding auf die verschiedenen Universitäten - bevorzugt wurden Wien und Ingolstadt - sowie die Aspekte Studienortwechsel, Studiendauer, studierte Fächer und erworbene akademische Grade. Ergänzt wird die Darstellung durch eine Reihe von Listen im Anhang.
Im weiteren wird versucht, die soziale Zusammensetzung der Universitätsbesucherschaft aus den behandelten Orten (einschließlich Plankstetten) näher zu beleuchten, und zwar sowohl auf der Grundlage der gezahlten Immatrikulationsgebühr (z. B. pauperes), als auch auf der Basis der lokalen Überlieferung. Am Ende steht die Frage nach der konkreten „Verwertbarkeit“ von Bildung im Hinblick auf den Arbeitsmarkt (Stichwort „Karrieren“) und, damit zusammenhängend, nach den Auswirkungen des Studiums auf den sozialen Status der Hochschulbesucher.
Mit dieser Arbeit wird erstmalig der Blick über die Schule am Ort hinaus auf Universitätsbesuch und spätere Karriere gelenkt und damit die Brücke von hauptsächlich institutionengeschichtlichen hinüber zu bildungssozialgeschichtlichen Fragestellungen geschlagen. Durch die ausgiebige Berücksichtigung der Auswirkungen von katholischer Reform und katholischer Konfessionalisierung verläßt die Studie den üblichen Rahmen lokal- und regionalgeschichtlicher Untersuchungen zur Schulgeschichte und ordnet die Entwicklung im Bildungswesen im Hochstift Eichstätt in den Kontext überregionaler Entwicklungen dieser Epoche ein.

Rezensionen

„Das Bildungsthema wird von Franz Heiler mit hoher allgemeingeschichtlicher Professionalität und in einer weiten thematischen wie chronologischen Perspektive angegangen. Wiederum bewährt sich der Zeitschnitt „rittlings“ auf der traditionellen Epochenschwelle, denn gerade in der hier vorbildlich vorgeführten soliden landesgeschichtlichen Einbettung und bei der Bildungs- und Erziehungsgeschichte tritt die Langfristigkeit des Wandels vom späten Mittelalter bis in das beginnende 17. Jahrhundert deutlich hervor. Gleichzeitig gelingt es nicht zuletzt dank der oben bereits skizzierten epochalen „Janusköpfigkeit“ des Konfessionalisierungsparadigmas sehr präzise, die besondere Valenz der Impulse, aber auch der Hemmnisse zu bestimmen, die sich aus der Reformation und dem „Zwang zur Konfessionalisierung“ für die Entwicklung des Bildungswesens im Hochstift Eichstätt ergaben, und zwar speziell in den drei mit allen Mitteln der modernen Geschichtswissenschaften untersuchten (v. a. auch quantifizierende Auswertung, deren Grundlagen im Anhang durch umfangreiche Listen, v.a. von Immatrikulationen aus den untersuchten Orten abgedruckt sind, S. 322-360) Städten des Oberamtes Hirschberg. Quantitativ, so das allgemeingeschichtliche Ergebnis, fand in der untersuchten Region die Erziehungsrevolution im ausgehenden 15. Jahrhundert statt, gefolgt von einer zweiten, qualitativen Revolution, die aufs engste mit der Konfessionalisierung verbunden war, zugleich aber eine Differenzierung zugunsten der größeren und zu Lasten der kleineren Städte brachte. „Vorreformatorische Modernisierungstendenzen und genuin reformationsbedingte Ansätze ... überlagerten“ sich, und „im Konfessionalisierungsprozeß“ erhielt der „Bildungssektor (schließlich) eine Schlüsselrolle“ (S. 265). Für eine geschichtswissenschaftlich professionalisierte Erforschung des frühneuzeitlichen Bildungs- und Erziehungswesens, die not tut, weil sie wie kaum eine zweite der einschlägigen Spezialforschungsfelder die säkularen Interpretationen zu konkretisieren und zu modifizieren vermag, ist die Fallstudie ein hochwillkommener Impuls.“

In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. 53 (2002) Heft 9. S. 548.

Schlagworte

1000 bis 1500 nach Christus (374) || 14. Jahrhundert (1300 bis 1399 n. Chr.) (102) || 15. Jahrhundert (1400 bis 1499 n. Chr.) (140) || 16. Jahrhundert (1500 bis 1599 n. Chr.) (149) || 17. Jahrhundert (1600 bis 1699 n. Chr.) (108) || Bildung (6) || Bildungsstrategien und -politik (2) || Deutschland (242) || Eichstätt (2) || Erziehung (3) || Germanistik (60) || Geschichte (829) || Geschichte der Pädagogik (6) || Mediävistik (7) || Mittelalter (287) || Mitteleuropa (284) || Pädagogik (22)