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Wandel durch Wahlen?
Wahlen, Demokratie und politischer Wandel in der arabischen Welt
2007
12,0 x 16,8 cm, 128 S., 1 Karten, 5 Schaubilder, Broschur
ISBN: 9783895005398
12,0 x 16,8 cm, 128 S., 1 Karten, 5 Schaubilder, Broschur
9,90 €
ISBN: 9783895005398
Kurze Beschreibung
Im Unterschied zu anderen Ländern haben sich bis heute in der arabischen Welt weder die Demokratie als Form politischer Herrschaft noch freie Wahlen durchsetzen können. Allein die jüngsten Ereignisse im Irak zeigen, wie schwierig es ist, einen friedlichen politischen Wettbewerb - basierend auf freien Wahlen - aufzubauen. Das Buch gibt zunächst einen Überblick über die unterschiedlichen Wahlexperimente auf lokaler und nationaler Ebene in der arabischen Welt. Im zweiten Teil analysiert es die wesentlichen Gründe für das Fehlen demokratischer Wahlen.Drei Problemkreise schränken dabei die Bedeutung von Wahlen ein: Teilen der Bevölkerung, beispielsweise Frauen, bleibt das Wahlrecht verwehrt, wichtige politische Kräfte, wie die unterschiedlichen islamistischen Gruppen, kandidieren nicht oder werden verboten, und schließlich wird bei Wahlen zumeist nicht über die Regierungsgewalt, sondern über parlamentarische Organe ohne Entscheidungsgewalt oder beratende Ausschüsse abgestimmt.
Trotz dieser vielfältigen Einschränkungen lassen einige Staaten, unter anderem Ägypten, Jemen, Jordanien, Marokko und einige Golfstaaten, mehr Partizipation und politischen Wettbewerb zu. Zu den Ursachen für diesen Wandel zählen neben innergesellschaftlichen Veränderungen auch der zunehmende internationale Druck, die massive externe Demokratieförderung und die Verbreitung neuer Medien.
Ausführliche Beschreibung
Im Unterschied zu anderen Weltregionen hat sich in der arabischen Welt die Demokratie als Form politischer Herrschaft bis heute nicht durchsetzen können. Bei der Etablierung eines demokratischen Systems spielen freie Wahlen eine entscheidende Rolle. Zuletzt haben die internationalen Bemühungen um die Demokratisierung des Iraks die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung eines friedlichen politischen Wettbewerbs unter den Bedingungen einer uneingeschränkten politischen Teilhabe der Bevölkerung verdeutlicht. Das Buch gibt zunächst einen Überblick über die unterschiedlichen Wahlexperimente auf nationaler und lokaler Ebene in der arabischen Welt und analysiert im zweiten Teil die wesentlichen Gründe für das Fehlen demokratischer Wahlen.Dabei beschränken in erster Linie drei Problemkreise die Bedeutung von Wahlen für die politische Entwicklung arabischer Länder: Teilen der Bevölkerung, beispielsweise Frauen, bleibt in manchen Staaten die Teilnahme an Wahlen verwehrt, wichtige politische Kräfte, wie die unterschiedlichen islamistischen Gruppen, kandidieren nicht oder werden verboten, und schließlich wird bei Wahlen zumeist nicht über die Regierungsgewalt, sondern lediglich über parlamentarische Organe ohne eigentliche Entscheidungsgewalt oder nur beratende Ausschüsse entschieden.
Trotz dieser vielfältigen Einschränkungen gibt es in einer Reihe von Staaten, unter anderem in Ägypten, Jemen, Jordanien und Marokko, aber auch in einigen Golfstaaten, Anzeichen für eine Entwicklung hin zu mehr Partizipation und politischem Wettbewerb. Das Buch diskutiert abschließend die Ursachen für diesen Wandel: Hierzu zählen sowohl innergesellschaftliche Veränderungen wie auch der zunehmende internationale Druck, die massive externe Demokratieförderung und die Verbreitung neuer Medien.
Der Autor:
Prof. Dr. Christof Hartmann ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Juniorprofessor für Transformationsforschung mit Schwerpunkt Afrika/Asien am Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik der Ruhr-Universität Bochum.
Er ist u. a. Herausgeber von Elections in Asia and the Pacific, 2 Bände, Oxford University Press 2001 (mit D. Nohlen und F. Grotz) und Verfasser zahlreicher Beiträge zu politischen Reformen in Entwicklungsregionen. Seine derzeitigen Arbeitsschwerpunkte sind die vergleichende Analyse von Demokratisierungsprozessen in afrikanischen und arabischen Ländern, sowie Möglichkeiten ihrer externen Steuerung.
Rezensionen
„Hartmanns Buch bietet sich als eine gut lesbare Einführung in die komplexe Ausgestaltung von liberal-demokratischen Modellen in der arabischen Welt an. Wohltuend hebt sich der Text von den oftmals schrillen Tönen aktueller Kontroversen um Demokratieexport, „good governance“, Regimewechsel und als universalisch propagierten Menschenrechten ab.“Helmut Krieger
In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes. 04/2008.
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Wandel durch Wahlen. Wahlen, Demokratie und politischer Wanden in der arabischen Welt. Von Christof Hartmann. Reichert Verlag, Wiesbaden 2007. 124 Seiten. Kartoniert. Preis: 9,90 €.
In den letzten zwanzig Jahren haben in der arabischen Welt heftige Debatten um die Bedeutung von „dimuqratiyya“ stattgefunden. Dabei, so der Autor, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen, lassen sich drei Positionen unterscheiden: eine säkulär-moderne, die den universalen Demokratiebegriff verteidigt, eine radikal-islamische, die Demokratie als westli-chen Import völlig ablehnt, und solche, die sich dazwischen bewegen. Dennoch werden in den meisten arabischen Ländern „mit großer Beharrlichkeit“ Wahlen durchgeführt. Der Autor zeigt die Gründe dafür auf. Er fragt: „Wer darf wählen?“, „Wer darf gewählt werden?“, „Worüber entscheiden die Wahlen überhaupt?“ und „Wahlen als Diktat des Westens?“. Manipulationen aller Art werden aufgezeigt. Wenn es sich auch um Scheinwahlen handelt, einiges kann man doch daraus ableiten. Der Autor geht in dem interessanten, verständlich geschriebenen Büchlein auf viele arabische Staaten ein, aber ein systematischer Überblick über die einzelnen Länder fehlt. Ein Index wäre hilfreich, ist aber nicht vorhanden.
In: Deutsch-Maghrebinische Gesellschaft, Medienspiegel. 11/2007. S. 16.
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Wandel durch Wahlen?
Wahlen, Demokratie und politischer Wandel in der arabischen Welt
Christof Hartmann
Wichtige Studie zu arabischen Regimen und dem Einfluss der Islamisten – bündig, lesbar und voller Fakten!
Anfang 2006 errang die radikalislamische Hamas einen überragenden Sieg bei den ersten freien Parlamentswahlen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) seit langer Zeit. Für Israel, die USA und die EU sowie für die angrenzenden arabischen Staaten stellte sich dadurch die Frage nach dem Umgang mit den demokratisch gewählten Islamisten. Auch im Irak hatten zwei Monate zuvor Wahlen stattgefunden, wie sie unter dem Regime von Saddam Hussein nicht möglich gewesen wären. Aus Sicht des Westens verknüpften sich mit diesen beiden Wahlen alle Hoffnungen auf Demokratisierung und Stabilisierung in der arabischen Welt – Irak und die PA sind die einzigen Länder der Region, in denen der Sieger nicht schon vor der Wahl feststand. Doch was bedeuten Wahlen überhaupt für den politischen Prozess in Nordafrika bzw. dem Nahen und Mittleren Osten? Und wie lassen sich die Siege der Islamisten erklären?
Wer wählt wen und was ändert das?
Christof Hartmann, ausgewiesener Fachmann politischer Reformen im asiatischen Raum, hat sich des Themas in einer kleinen und intelligenten Studie angenommen. Dabei beschränkt er sich aufgrund vergleichbarer sozio-kultureller Gegebenheiten auf die 16 arabischen Staaten und lässt Iran, Israel und die Türkei außen vor, obwohl diese als Besatzer, Kolonialmacht und durch die islamische Revolution starken Einfluss auf die arabische Politik hatten. Außerdem begrenzt er die Analyse auf Wahlen, als einer der wichtigen Faktoren von Demokratie, ohne das diffuse Gebilde letzterer als Ansatz zu wählen. Mit diesen präzisen Auswahlkriterien untersucht der Autor drei Funktionskategorien von Wahlen: Das Recht der politischen Mitbestimmung, die Repräsentation von Gruppen durch Gewählte und die Zuweisung politischer Macht durch den Wahlvorgang. Mit anderen Worten: wer darf wählen, wer kann gewählt werden und was ändern die Wahlen?
Wahlen als Machterhaltung
An vielen Beispielen zeigt Christof Hartmann, wie Wahlen in den arabischen Staaten vor allem dem Machterhalt dienen. Die teilweise Pluralisierung der politischen Abstimmungsprozesse in den autoritären Systemen erfolgt kontrolliert und ist keinesfalls von der Opposition erzwungen, geschweige denn ein sich verselbstständigender Demokratisierungsprozess. Die arabische Version von Wahlen besagt meist nicht, wer regieren, sondern wer in die Opposition darf. Diese muss, um an Wahlen teilzunehmen, aus dem Untergrund hervortreten – oft zum Vorteil der Herrschenden, die ihre Gegner dann klar erkennen können: „Nur wenige autoritäre Regime gehen davon aus, dass der Wahlakt selbst (wie in einer Demokratie) legitimitätsstiftend sein kann, er ist eher ein öffentlicher Beleg für die Legitimität, die auf anderen Ressourcen, wie Ideologie, Tradition, Religion oder wirtschaftlich-sozialer Entwicklung beruht.“ Mittel zur Machterhaltung sind neben der gezielten Wahlkreiszuteilung (um bestimmte Volksgruppen von Kandidatenplätzen fernzuhalten), vor allem erhöhte Kriterien der Wähler- und Kandidatenregistrierung, sowie Parteiverbote, Verhaftungen und Unterdrückung.
Vormarsch und Sieg der Islamisten
Nicht nur der Sieg der islamistischen Hamas in der PA versetzte die Welt in Schrecken, in nahezu allen arabischen Staaten sind mittlerweile Islamisten in den Parlamenten vertreten. Im Gegensatz zu den relativ kleinen Bewegungen der Säkularen, sind islamistische Verbände hochgradig organisiert und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet. Sie verfügen oft über einen großen Rückhalt in der Bevölkerung, da sie soziale Einrichtungen fördern und betreiben. Außerdem bieten sie aus Sicht der Einwohner die einzige Möglichkeit, das politische System moralisch zu erneuern, nachdem die eigenen Regierungen sich nicht um den Willen des Volkes kehren und dem Westen Doppelmoral vorwerfbar ist. „Staaten wie Syrien oder Jemen, in gewissem Maße auch Ägypten, konnten das soziale Versprechen der Modernisierung nicht erfüllten und sind zur Aufrechterhaltung der Regimestabilität auf massive finanzielle Zuwendungen der erdölexportierenden Golfstaaten, bzw. auf finanzielle und militärische Unterstützung durch den Westen angewiesen.“ Zudem fürchten die sunnitischen Machthaber der Golfstaaten die schiitischen Minderheiten viel mehr, als die sunnitischen oder wahabistischen Extremisten.
Wandel durch Wahlen?
Insgesamt beurteilt Christof Hartmann die politischen Entwicklungen der letzten drei Jahrzehnte in den arabischen Staaten vorsichtig positiv, seine optimistischen Formulierungen der Ergebnisse klingen jedoch oft besser, als es die Fakten hergeben, so z.B.: „Die auf westliche Demokratien bezogenen Funktionskataloge bleiben daher wichtige Orientierungspunkte. Andererseits müssen diese ergänzt werden, um die abweichende Funktionslogik von Wahlen in autoritären Systemen mit aufnehmen zu können.“ Der Autor bezeichnet auch schon den nicht gewaltsamen Herrscherwechsel als Konstitutionalisierungsprozess, auch wenn keinerlei Wahlen dazu stattfinden. Liest man jedoch sehr genau, so findet man zu nahezu jedem Fortschritt auch eine Einschränkung. So stellt Christof Hartmann durchweg eine Monarchisierung und Dynastisierung der Republiken fest oder erklärt, wie die islamische Methode der „Schura“ (=Beratung) das Prinzip der Wahlen umkehrt. Der Herrscher lässt sich via Wahlergebnis vom Volk beraten, entscheidet dann aber doch selbst.
Klein aber fein!
Das handliche Kleinformat des Büchleins und der Verzicht auf einen umfangreichen Apparat und Fußnoten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei „Wandel durch Wahlen?“ um eine durchaus anspruchsvolle Lektüre handelt. An der Grenze zwischen Sach- und Fachbuch anzusiedeln, bedient es eine Zielgruppe mit politischer Vorbildung, auch wenn die Sprache für sozialwissenschaftliche Laien verständlich ist. Auf 120 Seiten halten viel Empirie und Fakten den Inhalt sehr speziell – zum Vorteil für den Leser vom Fach! Insgesamt ist es eine kompetente und wichtige Studie, die auf zu viel wissenschaftliches Beiwerk verzichtet.
Redakteur: Felix Struening
In: Buchtest.com
http://buchtest.com/rezension/wandel_durch_wahlen.html
(September 2007)
Autoreninfo
Prof. Dr. Christof Hartmann ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Juniorprofessor für Transformationsforschung mit Schwerpunkt Afrika/Asien am Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik der Ruhr-Universität Bochum.Er ist u. a. Herausgeber von „Elections in Asia and the Pacific“, 2 Bände, Oxford University Press 2001 (mit D. Nohlen und F. Grotz) und Verfasser zahlreicher Beiträge zu politischen Reformen in Entwicklungsregionen. Seine derzeitigen Arbeitsschwerpunkte sind die vergleichende Analyse von Demokratisierungsprozessen in afrikanischen und arabischen Ländern, sowie Möglichkeiten ihrer externen Steuerung.