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Die Wahl des koptisch-orthodoxen Patriarchen Ägyptens vom 8. bis zum 13. Jahrhundert durch das Los und andere Methoden
Kurze Beschreibung
Die Studie widmet sich einem bisher kaum beachteten Thema: Die Wahl des koptisch-orthodoxen Patriarchen Ägyptens. Über einen Zeitraum von insgesamt 6 Jahrhunderten werden die verschiedenen Modi, die im Rahmen der Wahl des koptischen Papstes zur Anwendung gebracht wurden, untersucht. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf dem Ziehen von Losen. Ausgehend vom Forschungsprogramm des Sonderforschungsbereiches 1150 „Kulturen des Entscheidens“, der „Entscheiden“ als eine voraussetzungsvolle und historisch wandelbare Form sozialen Handelns versteht, lässt sich das Losen als „Extremfall des Entscheidens“ beschreiben, bei dem die Abwägung von Optionen gänzlich wegfällt und die Offenheit der Situation ausdrücklich betont wird. Entsprechend wird nach den Motivlagen der am Entscheidungsprozess beteiligten Personengruppen gefragt, die Nachfolge eines verstorbenen Patriarchen unter bestimmten Voraussetzungen über das Ziehen von Losen zu regeln. Derart können neben der inhaltlichen auch die technisch-instrumentelle sowie die symbolisch-expressive Seite der Nachfolgeregelung einsichtig gemacht werden, was einen neuen Einblick in die Wahl des koptisch-orthodoxen Patriarchen bietet.Ausführliche Beschreibung
Die Wahl eines geeigneten Nachfolgers für einen verstorbenen Patriarchen der koptisch-orthodoxen Kirche Ägyptens markiert stets einen wichtigen Einschnitt im Alltagsleben dieser orientalischen Kirche. Seit 1957 wird ihr Oberhaupt ausgelost – aus den Namen von drei zuvor ordentlich gewählten Kandidaten wird ein Altarlos gezogen, um den neuen koptisch-orthodoxen Patriarchen bestimmen zu können.Während das Losen seit 1957 regelhaft den Wahlprozess abschließt, ist dieser Auswahlmodus historisch betrachtet die Ausnahme von der Regel. Bis heute wurden von den insgesamt 118 koptisch-orthodoxen Patriarchen lediglich 7 durch das Ziehen von Losen in ihr Amt gebracht. Zwischen dem 8. und dem 13. Jahrhundert waren es sogar nur zwei. Eigentlich erstaunlich, denn grundsätzlich konnten sich die Kopten mit Apg. 1, 15 – 26 auf einen einschlägigen Präzedenzfall für die Anwendung dieser Auswahlmethode berufen: Nach dem Tod des Verräters Judas musste ein Nachfolger für ihn ermittelt werden. Die versammelten Jünger beteten hierüber und nominierten zwei Männer, Joseph und Matthias, zu geeigneten Nachfolgern. Anschließend wurde das Los über sie geworfen – die Wahl fiel auf Matthias, der fortan zu den Aposteln gezählt wurde.
Das Losen gilt, zieht man das Forschungsprogramm des Münsteraner Sonderforschungsbereiches 1150 „Kulturen des Entscheidens“ zurate, als „Extremfall des Entscheidens“, was die Anwendung dieser Auswahlmethode überaus voraussetzungsvoll macht. Warum also einigten sich die Kopten in den wenigen, uns überlieferten Fällen darauf, das Oberhaupt ihrer Kirche durch das Ziehen von Losen auszuwählen? Welche historisch-kulturellen Rahmenbedingungen ermöglichten die Anwendung des Losens als Auswahlmethode überhaupt erst? Welche Erwägungen sprachen für das Ziehen von Losen beziehungsweise gegen die Anwendung anderer Auswahlmethoden? Und wie beeinflussten diese Erwägungen die technisch-instrumentelle Seite wie auch die symbolisch-expressive Seite des in den einzelnen Fällen zur Anwendung gebrachten Ziehungen eines Altarloses?
Eine systematische, historisch-vergleichende Analyse für die Anwendung sowohl insbesondere des Losens als auch weiterer Auswahlmethoden im Rahmen der Wahl des koptisch-orthodoxen Patriarchen war ein bis dato noch nicht eingelöstes Desiderat. Diese Studie löst das angesprochene Anliegen nun für diejenigen Patriarchen ein, die zwischen dem 8. und dem 13. Jahrhundert über das Ziehen von Losen in Amt und Würden gebracht wurden. Das schließt freilich auch die übrigen Auswahlmethoden, die sich für die Regelung der Nachfolge eines verstorbenen Patriarchen im genannten Zeitraum belegen lassen, mit ein.
Autoreninfo
Fabian Erben, geboren am 30.08.1988, lebt mit seiner Ehefrau in der im östlichen Ruhrgebiet gelegenen Stadt Unna. „Die Wahl des koptisch-orthodoxen Patriarchen Ägyptens vom 8. bis zum 13. Jahrhundert durch das Los und andere Methoden“ ist seine erste große Buchveröffentlichung und zugleich auch seine Dissertationsschrift.Er studierte an der Ruhr-Universität Bochum Geschichte und Germanistik (2009 – 2015). Anschließend war er der Universität zu Münster von 2015 bis 2019 als wiss. Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich 1150 „Kulturen des Entscheidens“ tätig. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes ist auch die obengenannte Dissertationsschrift entstanden. Von 2020 bis 2022 schließlich arbeitete er als wiss. Volontär im LWL-Römermuseum in Haltern am See, wo er an der Planung, Konzeption und Durchführung der Sonderausstellung „Rom in Westfalen 2.0“ beteiligt war.
Aktuell ist Fabian Erben als Persönlicher Assistent tätig und unterstützt einen körperlich behinderten Menschen in seinem Alltag. Parallel hierzu lässt er sich an der Ruhr-Universität Bochum zum Gymnasiallehrer in den Fächern Deutsch und Geschichte ausbilden.
Reihentext
Sprachen und Kulturen des Christlichen Orients
Hg. von Stephen Emmel, Cornelia Horn, Martin Krause
und Andrea B. Schmidt
Die international angelegte Reihe bietet Monographien, Handbücher, Sammelbände und Quellen zum Christlichen Orient. Dieser soll sowohl in seiner linguistischen und philologischen Breite erfasst werden (Äthiopisch, Arabisch, Armenisch, Georgisch, Koptisch, Nubisch, Syrisch) als auch in seiner kulturellen, religiösen und historischen Thematik. In ihrer zeitlichen Dimension erstreckt sich die Reihe von der frühbyzantinischen Epoche bis ins Spätmittelalter. Sie berücksichtigt vereinzelt auch gegenwartsbezogene Darstellungen über die orientalischen Gemeinschaften im Hinblick auf ihre Verwurzelung im christlich-historischen Umfeld.
Die Erforschung des Christlichen Orients erfolgt heute in verschiedenen Einzeldisziplinen, die jeweils auf bestimmte Sprachen oder geographische Regionen konzentriert sind. Neben dieser Spezialisierung besteht zugleich ein übergreifendes interdisziplinäres Interesse, die kulturellen und historischen Gemeinsamkeiten der einzelnen christlich-orientalischen Gemeinschaften in ihrer Verflochtenheit sichtbar zu machen. Die Absicht der Herausgeber ist es daher, detaillierte Fachstudien von führenden Wissenschaftlern aus ihrem jeweiligen Forschungsgebiet aufzunehmen. Zum andern wollen sie interdisziplinär angelegten Werken ein Forum bieten.
Der Christliche Osten hat für die Kulturgeschichte des europäischen Abendlandes eine wesentliche Rolle gespielt und dem Westen ein reiches Erbe vermittelt. Um diese Bedeutung zu erschließen, wendet sich die Reihe auch an Studenten und an die größere Öffentlichkeit. Mit dieser Gewichtung soll der Christliche Orient in seinen vielfältigen kulturhistorischen, künstlerischen und philologischen Aspekten gebührend ins Blickfeld gerückt werden.
Den Herausgebern steht ein internationales Beratergremium zur Seite.