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Franz Helm und sein »Buch von den probierten Künsten«
Ein handschriftlich verbreitetes Büchsenmeisterbuch in der Zeit des frühen Buchdrucks
2001
17,0 x 24,0 cm, 346 S., 1 farb. Abb., 78 s/w Abb., Leinen
ISBN: 9783895002236
17,0 x 24,0 cm, 346 S., 1 farb. Abb., 78 s/w Abb., Leinen
59,00 €
ISBN: 9783895002236
Kurze Beschreibung
Das „Buch von den probierten Künsten“ des Kölner Büchsenmeisters Franz Helm stellt eine ausführliche, für den Berufsanfäger gedachte Einführung in die Kunst der Büchsenmeisterei dar. Anschaulich werden die Arbeitstechniken der Pulverherstellung und der Bedienung des frühneuzeitlichen Geschützparks geschildert. Zahlreiche Illustrationen begleiten den Text, der ab 1535 zu einem weit verbreiteten Standardwerk der Artilleriekunst wurde. Über 70 Handschriften aus dem Besitz von Büchsenmeistern, Kriegshauptleuten, Städten und Landesfürsten sind noch heute überliefert.Ausführliche Beschreibung
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts verließ der Kölner Schlosser Franz Helm seine Heimatstadt, um sich als Büchsenmeister auf den Kriegsschauplätzen seiner Zeit zu verdingen. 1542 fand er eine dauerhafte Anstellung im Münchener Zeughaus der Herzöge von Bayern und legte 1535 seine Berufserfahrung in einem umfangreichen Werk nieder, das er ,Buch von den probierten Künsten’ nannte. Mit dem erklärten Ziel, eine Lehrschrift für Berufsanfänger zu verfassen, behandelt er Pulverrezepturen, Ladeweisen und das präzise Einrichten verschiedener Geschütztypen. Außerordentlich detaillierte Beschreibungen sämtlicher Techniken und Arbeitsvorgänge vermitteln auch heute noch ein präzises Bild des frühneuzeitlichen Artilleriegebrauchs.Gedruckt wurde sein Lehrbuch zunächst nicht, doch über 70 noch heute erhaltene Abschriften zeugen von großer Verbreitung. In jeder der frühneuzeitlichen Fürstenbibliotheken stand mindestens ein Exemplar. Städte, Berufskollegen, Gießer und einige Adelige, die im neuen Kriegswesen ihr Auskommen suchten, gehörten zu den nachweisbaren Besitzern. Noch zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges wurden Abschriften angefertigt; kurze Zeit später wurde der immer noch für aktuell gehaltene Text gedruckt.
Das vorliegende Buch beleuchtet die abwechslungsreiche Vita des Franz Helm und liefert eine detaillierte Analyse von Inhalt und Quellen des ,Buchs von den probierten Künsten’. Untersucht werden Techniken und Methoden der Wissensvermittlung im Spannungsfeld der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Fachprosa wie auch das ambivalente Bild des Krieges, das hinter den nüchternen technischen Schilderungen hervortritt. Ein großer Teil der Untersuchung gilt der Überlieferung. Wer waren die Auftraggeber, Schreiber, Besitzer und Leser des Werkes? Das ,Buch von den probierten Künsten’ dürfte die umfangreichste handschriftliche Überlieferung eines Buches im 16. Jahrhundert besitzen. Warum aber wurde es erst so spät gedruckt? Ein Index der zitierten Handschriften und ein Literaturverzeichnis schließen die umfangreiche Einleitung ab. Es folgt ein kompletter Abdruck des Textes nach dem ältesten erhaltenen Autograph, der Heidelberger Handschrift cpg 128. Sämtliche Abbildungen der Handschrift wurden dem Abdruck beigegeben. Ein Glossar erschließt chemische und militärische Fachterminologie.
Damit stehen nun erstmals Untersuchung und Abdruck eines Textes zur Verfügung, der gleichermaßen für Militär-, Technik-, Chemie- und Wissenschaftsgeschichte, Germanistik, Fachprosaforschung und Buchwissenschaft von Bedeutung ist.
Rezensionen
„Mit der Edition von Franz Helms Büchsenmeisterbuch dokumentiert der Herausgeber, wie sich hundert Jahre nach Erscheinen des cmg 600, am Beginn der Neuzeit, das Kriegswesen überhaupt, der Artilleriegebrauch und vor allem die Formen der schriftlichen Aufbereitung spezialisierten Berufswissens gewandelt haben. Gemeinsam mit dem cmg 600 sind beide Quellen die prominentesten Vertreter einer Literaturgattung, die allein in den bekannteren Handschriftensammlungen des deutschen Sprachraums in über 300 Codices vorliegen.Die Edition der Handschrift umfasst 200 Seiten. Zuvor unterzieht der Herausgeber die Handschrift einer ausführlichen Quellenkritik, wobei er sorgfältig das zeitgenössische Kriegsbild nachzeichnet und die Überlieferung wie auch das Publikum als Adressat ausführlich würdigt. Die Wirkungsgeschichte des Manuskripts ergänzt die umfassende Darstellung zum frühneuzeitlichen Kriegswesen, welches durch diese verdienstvolle Edition abermals eine feste Säule des historischen Wissens hinzugewonnen hat.“
In: Pallasch. 30/2009. S. 92.
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Leng, Rainer (Hrsg.): Franz Helm und sein „Buch von den probierten Künsten“. Ein handschriftlich verbreitetes
Büchsenmeisterbuch in der Zeit des frühen Buchdrucks. Band 9 in der Reihe Imagines Medii Aevi, Reichert Verlag, Wiesbaden 2001. Leineneinband, 343 Seiten, ISBN 978-3-89500-223-6, Preis 59,90 €.
Der Büchsenmeister Franz Helm zu Köln am Rhein ist dem an früher Artillerie und Schießpulver Interessierten kein Unbekannter, schrieb er doch seine Bücher in einer Zeit, in der die Kunst der Artillerie bereits das Stadium des Experimentierens verlassen hatte und bereits auf eine mehr als 150-jährige Erfahrung zurückblicken konnte, ca.1550. Auch ist das Buch kein reines Feuerwerkbuch, sondern mehr ein Kompendium, in dem Helm seine eigene Erfahrungen und das Wissen seiner Zeit, die Kriegskunst, die Büchsenmeisterei und Pulverherstellung betreffend, niederschreibt.
Dabei wählte er einen Titel, der in jener Zeit offensichtlich weit verbreitet war, denn es gibt auch ein „Buch der geheimen Künste“, welches sich mit Alchemie befasst, ein „Buch der verbotenen Künste“, welches von der Magie handelt und viele ähnliche Ms und Bücher mehr, die alle einen ähnlichen Titel haben.
Von diesem „Buch der probierten Künste“ sind mehr als 70 Kopien bekannt, die sich alle aber im Text etwas verschieden zeigen, was wiederum beweist, dass die Bücher laufend verbessert, ergänzt und erweitert wurden, als und wenn neue Techniken bekannt und benutzt wurden.
Nun hat sich wiederum der Würzburger Historiker Rainer Leng dankenswerterweise dieser Ms und Bücher angenommen und sie analysiert, eine Ausarbeitung, die anderen auf diesem Gebiet Forschenden eine Menge Arbeit abnehmen und ihre Arbeit vereinfachen wird, denn alle bekannten Schriften von Helm werden genau aufgeführt,
einschließlich solcher, die nach dem 2. Weltkrieg in die damalige Sowjetunion als Kriegsbeute überführt wurden und die sich sicher noch in russischen Archiven befinden.
Lengs Buch fängt in bewährter Weise mit der Geschichte des Büchsenmeisters Franz Helm an, soweit diese aus Indizien rekonstruierbar ist. Danach analysiert er die Schrift und bespricht die verschiedenen Kapitel, Vorrede, Zeughausordnung, Pulverbuch, Brechzeug, Feuerwerk zu Schimpf und Ernst, die vergifteten und unvergifteten Rauche und Dämpfe, Comfortative, das sind angebliche Verstärkungsmittel für Pulver, Büchsenmeisterei, Quadranten und die Wagenburg im Detail.
Helm weist in seinen opus magnum mehrfach darauf hin dass er dieses Wissen auch aus anderen, älteren Büchern bezogen und übernommen hat. Dabei sind wahrscheinlich die älteren Feuerwerks- und Kriegsbücher gemeint, die Titel der Bücher und Ms aus denen Helm sein Wissen schöpft, werden aber leider nirgendwo explizit erwähnt.
Besonders wichtig fand ich die von Leng zusammengetragene Liste nebst Kurzbeschreibung und Signaturen aller bekannten Werke von Helm.
Danach folgt die Umschrift des als Referenz verwendeten Buches. Auf Seite 172 findet der Leser auch den eindeutigen Beweis, dass Helm nicht übertreibt, wenn er von “probierten Künsten“ spricht: Der Abschnitt Sallpeter zü schmeltzen folgt im Text fast genau den München-Codex cgm 600, aber mit der Warnung: [...]So neme dan einer Haselnuss groß schwebel vnnd würff ine dar Inn, doch bewar dich dann es thut ein Blitz [...] Wissen, welches Helm sicher nur durch eigene Erfahrung (wie der Autor dieser Rezension) gemacht haben kann.
Aber das Buch verdient nicht nur Lob für die enorme Arbeit, die darin steckt, mir fiel der oft unbegründet kritische und tadelnde Ton auf, mit dem Leng die Arbeiten von Amateur-Historikern kommentiert, die sich auf diesem Gebiet lange
vor Lengs Arbeit betätigt haben, siehe S. 5 Fußnote 11, wo dem Ingenieur Götz Quarg „mangelhafte Arbeit“ vorgeworfen wird, sowie auf S.5/6 in der die Arbeit des Chemikers Gerhard Kramer als „krasse Fehlleistung“ bezeichnet wird.
Hätten Quarg und Kramer die Möglichkeiten gehabt, die Leng als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Würzburg hatte, der, nach eigener Aussage befreit von Lehr- und Verwaltungsaufgaben sich nur der Forschung widmen konnte, da wären bei den beiden vorgenannten sicher auch bessere Arbeiten herausgekommen.
In die Ausführungen von Leng, die sich mit der Chemie befassen, haben sich viele Fehler eingeschlichen, wie zum Beispiel auf S. 46, wo vom „hochexplosiven Ammoniumnitrat“ gesprochen wird. Ammoniumnitrat ist an sich nicht explosiv, man kann es als Kunstdünger in jedem Baumarkt kaufen. Aber man kann es nicht mit der von Leng beschriebenen Methode herstellen. Ähnliche Fehler, die Chemie betreffend, findet man sehr oft in dem Kommentar.
Es wäre für den Historiker Leng zweifelsohne besser gewesen, wenn er sich auf die reine sprachhistorische Analyse von Helms Büchern beschränkt hätte und den die Chemie betreffenden Teil nicht kommentiert hätte. Dadurch, dass er es tat, setzt er sich der gleichen Kritik aus, mit der er selbst die Amateur-Historiker Quarg und Kramer belegt hat.
Vielleicht zeigt sich der Verlag bereit, eine englische Übersetzung des Werkes mit verbesserten Chemieteil herauszubringen, ähnlich dem von Unipress Aarhus herausgegebenen Feuerwerksbuch von Johannes Bengedanz. Das „Buch der probierten Künste“ würde in der englisch sprechenden Welt sicher viel Resonanz finden.
Aber: Alles in Allen, eine sehr brauchbare Unterlage und Referenz für denjenigen, der sich für das Kriegswesen, für frühe Artillerie und die Schießpulverherstellung jener Zeit interessiert, als die Artillerie ein fester Bestandteil des Kriegswesens wurde.
Klaus Leibnitz
In: Waffen- und Kostümkunde. 2008. Heft 1. S 81-82.
Autoreninfo
Rainer LengAb 1987 studierte er an der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg Geschichte und Germanistik sowie Sozialkunde, politische Wissenschaft und klassische Philologie. 1996 promovierte er im Fach Mittelalterliche Geschichte mit einer Arbeit über „Konrad von Halberstadt O.P. Chronographia Interminata 1277-1355/59“. Neben der Promotion und weiteren Studien zur Chronistik erfolgten erste Untersuchungen zu den noch weitgehend unerforschten kriegstechnischen Bilderhandschriften des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Von 1994 bis 2000 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der DFG-Forschergruppe „Das Bild des Krieges im Wandel vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit“. Nach zahlreichen Veröffentlichungen aus diesem Forschungsgebiet wurde er mit einer Arbeit über die „Kriegstechnischen und -taktischen Bilderhandschriften und Traktate im 15. und 16. Jahrhundert“ habilitiert. Seither ist er als Privatdozent für mittelalterliche Geschichte am Institut für Geschichte der Universität Würzburg tätig.
Reihentext
Es ist das Anliegen dieser Buchreihe, in der Dissertationen, Habilitationsschriften, sonstige monographische Darstellungen und Sammelbände erscheinen werden, die Interdisziplinarität der modernen Mittelalterforschung noch mehr hervorzuheben und zu fördern als dies bisher der Fall ist. Angenommen werden Arbeiten aus allen Gebieten der Mediävistik, sofern der Aspekt der Interdisziplinarität darin betont wird, d.h. sofern sie die Grenzen eines einzelnen Faches zu überschreiten suchen.