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»Ludwigslied«, »De Heinrico«, »Annolied«
Die deutschen Zeitdichtungen des Frühmittelalters im Spiegel ihrer wissenschaftlichen Rezeption und Erforschung
2002
17,0 x 24,0 cm, 586 S., 8 s/w Abb., Leinen
ISBN: 9783895002687
17,0 x 24,0 cm, 586 S., 8 s/w Abb., Leinen
58,00 €
ISBN: 9783895002687
Kurze Beschreibung
Das Buch behandelt unter rezeptions- und forschungsgeschichtlicher Perspektive die frühesten Zeugnisse deutschsprachiger Zeitgeschichtsdichtung und ihr literarisch-historiographisches Umfeld. Im Zentrum steht ihre neuzeitliche Rezeption von der jeweiligen Wiederentdeckung im 17. und 18. Jahrhundert an bis heute, daneben werden die Bezüge der drei Texte zur Geschichte und Politik der Zeit, ihre mutmaßlichen Hintergründe, Funktionen und literarischen Kontexte analysiert.Ausführliche Beschreibung
Das Buch widmet sich mit rezeptions- und forschungsgeschichtlichem Grundanliegen den drei ältesten deutschen Texten zeithistorischer Thematik, dem althochdeutschen „Ludwigslied“ (881/2), dem deutsch-lateinischen Gedicht „De Heinrico“ (um 1000) und dem frühmittelhochdeutschen „Annolied“ (um 1080). Alle drei entstanden vor bewegtem politischem Horizont, dem sie jeweils ihre spezifische Funktion und Machart verdanken: den Normanneninvasionen im zerfallenden Karolingerreich, den wiederholten Konflikten zwischen bayerischer Herzogsgewalt und Königtum im 10. Jahrhundert und dem Investiturstreit. Sie preisen drei geradezu idealtypische Repräsentanten der geistig-politischen Ordnung ihrer Zeit: einen König aus karolingischem Haus, einen Herzog aus einer Seitenlinie der Ottonen und einen der bedeutendsten Reichsbischöfe der Salierzeit. Untersucht werden diese im Deutschen isolierten Texte als zwar heterogene, aber in vieler Hinsicht verwandte Glieder einer literarischen Reihe, die enge Bezüge zur zeitgenössischen mittellateinischen Überlieferung erkennen lässt, namentlich zu historiographischem, theologisch-exegetischem und fürstenpädagogischem und juristischem Schrifttum. Interpretierenden und historisch auswertenden Kapiteln folgt jeweils eine detaillierte Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Rezeptions- und Deutungsgeschichte, die in allen Fällen bereits im 17. und 18. Jahrhundert einsetzte. So lässt das Buch neben den drei Dichtungen selbst auch die Entstehung und Geschichte jenes Faches, in dessen Kompetenzbereich sie traditionell fallen, insbesondere seine sich wandelnden geistigen Wurzeln, Methoden, Begriffe und Hauptanliegen, paradigmatisch vor Augen treten.Rezensionen
„In seiner Würzburger Dissertation widmet sich Herweg der wissenschaftlichen Rezeption und Erforschung einer frühmittelalterlichen Textgruppe, die er unter dem von ihm selbst einleitend problematisierten ,Gattungs’-Begriff der „Zeit- oder Geschichtsdichtung" zusammenfaßt, weil ihre Gemeinsamkeit bei aller sonstigen Unterschiedlichkeit doch in einem spezifischen Verhältnis zur außerliterarischen Realität liege. Nicht formale, sondern ideengeschichtliche, motivische und erzählstrategische Verbindungslinien lassen die drei Texte als eigene Gruppe erscheinen. Dieser Gesichtspunkt ist zweifellos ein höchst innovativer Ansatz, nachdem jeder dieser Texte bisher weitgehend nur für sich wissenschaftliche Aufmerksamkeit gefunden hat. Damit überschreitet Herweg natürlich sein vordergründig primäres Ziel, die seit dem frühen 17. Jahrhundert fast unüberschaubar gewordene Literatur kritisch-bilanzierend nachzuzeichnen. (...)Das Forschungsregister am Ende des Bandes enthält nicht weniger als 296 Namen, deren unterschiedlich zahlreiche Beiträge zur Erforschung der drei frühmittelalterlichen Geschichtsdichtungen samt und sonders von Herweg kritisch gewürdigt werden. An den Ergebnissen dieser Bilanzierung kommt niemand mehr vorbei, der sich künftig auch nur einem der drei Texte, sei es als ganzem oder einem Detail, zuwenden will. Innovativ – wie eingangs gesagt – ist in jedem Fall aber die Zusammenschau der drei Dichtungen unter einem intertextuellen Aspekt, aus dem sich zwar keine formale Gattungseinheit, wohl aber ein Ideen- und motivgeschichtlicher sowie erzählstrategischer Zusammenhang ableiten läßt. Alles in allem eine glänzende Leistung!“
In: Arbitrium. Zeitschrift für Rezensionen zur germanistischen Literaturwissenschaft. 1/2006. S. 25-27.
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„Herwegs Kapitelüberschriften fassen die jeweiligen Problembereiche klar, treffend und manchmal auch nicht ohne Ironie zusammen, so dass schon das Inhaltsverzeichnis ein prägnantes Bild bietet. Die einschlägige Bibliographie scheint annähernd vollständig zu sein, auch Abbildungen der Handschriften bzw. der Drucktexte sind beigegeben. Um aber Bilanz zu ziehen über diese Forschungsdokumentation: Herweg macht S. 515 klar, dass „selbst namhafte Geister Kinder ihrer Zeit und all ihrer Unzulänglichkeiten waren", so dass die Forschung stets regelmäßig einer detaillierten Überprüfung bedarf, auch im Falle einer communis opinio. Und es ist Herwegs Verdienst, die Sekundärliteratur so ausführlich dargestellt zu haben, dass der Leser diese Überprüfung leichter vornehmen kann. Auch bei den eigenen Urteilen versucht Herweg möglichst fair zu sein. Allerdings scheint die Germanistik eher unwillig zu sein, offensichtliche Sackgassen aufzugeben. Zur Zeit stagniert die Interpretation der drei Werke, und Herweg deutet wenigstens beim „Ludwigslied" und beim „Annolied" Möglichkeiten weiterer Untersuchungen an, auch ohne unverhoffte neue Entdeckungen von außen abwarten zu müssen. Weniger optimistisch ist die Situation im Falle des „De Heinrico".“
In: Zeitschrift für deutsche Philologie. 125 (2006) 3. S.447-450.
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„Insgesamt präsentiert sich das Buch als eine mustergültige Analyse der Forschungsgeschichte zu zentralen Texten aus der Frühzeit der deutschen Literatur, die als ein Ergebnis tatsächlich Zusammenhänge zwischen den drei aus Gründen der sprach- und literarhistorischen Systematik wohl noch nie zusammen behandelten Dichtungen vorweisen kann. Spricht Herweg am Anfang von einer "postulierten literarischen Reihe" (S. 2), so zeigt die Untersuchung, daß die Zusammenschau der Texte sinnvoll ist. Der Benutzer ist dankbar, diese Unmenge von zeitlich wie publizistisch verstreuter Information einmal kritisch präsentiert vorliegen zu haben; das geht bis in Details wie Herwegs Richtigstellung der ersten neuhochdeutschen Übersetzung des 'Ludwigslieds' durch E. F. von Gemmingen im Jahr 1753. Auch die Form des Buches ist ansprechend. Es ist gut lesbar gesetzt und hat einen sinnvollen Anhang mit Abbildungen. Die Reproduktion der Drucke ist ausgezeichnet gelungen, diejenige der Handschriften wünschte man sich hingegen etwas größer. Zwei Genealogien (ohne Nachweis) tragen zum historischen Verständnis bei. Das ausführliche Literaturverzeichnis kann mit sehr wenigen Ausnahmen als vollständig bezeichnet werden; es erfasst auch eine große Zahl von Rezensionen. Den Abschluß bildet ein vorzüglich organisiertes Register, das Aufschluß über alle verwendete Forschungsliteratur gibt und dabei zwischen der Erwähnung im Textzusammenhang und dem Anmerkungsapparat unterscheidet.
Man hat Forschungsgeschichte häufig als bloße Fleißarbeit abqualifiziert. Das vorliegende Buch zeigt, daß nicht nur Methodenkritik, sondern die Auseinandersetzung mit Traditionen und Leitlinien des eigenen Faches wichtig ist, um Automatismen und prädisponierte Einschätzungen beim Textverständnis zu vermeiden.“
In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. 242. Band (2005) 2. Halbjahresband. S. 396-398.
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„Es bleibt allein die Hoffnung auf eine »Weitung des Blicks« als Effekt einer gemeinsamen, freilich in getrennten Kap. durchgeführten Behandlung der Texte und ihrer ca. 400jährigen Forschungsgeschichten. Diese werden mit stupender Belesenheit, Vollständigkeit, Ausführlichkeit und einer sich durchaus >cum ira et studio< gebenden Kritik vorgeführt. Hier liegt der Nutzen der Arbeit zunächst für das weitere Studium der Texte selbst. Darüber hinaus können die 3 Forschungsgeschichten den Wert exemplarischer Fallstudien zur Geschichte des Faches beanspruchen.“
In: Germanistik. 45 (2004) Heft 1/2. S. 208-209.
Autoreninfo
Mathias Herweg studierte 1991-1997 Geschichte, Sozialkunde und Germanistik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Im Herbst 1997 schloss er sein Studium mit dem Ersten Staatsexamen ab. Während der anschließenden Promotion im Fach Germanistik (ältere Abteilung) nahm er regelmäßig Lehraufträge wahr und war von 1998 bis 2000 als Mitarbeiter der Forschergruppe 'Das Bild des Krieges im Wandel vom späten Mittelalter zur Frühen Neuzeit' beschäftigt. Nach Abschluss der Promotion im Herbst 2001 war er wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für deutsche Philologie (Prof. Brunner) in Würzburg.Forschungsschwerpunkte sind: Althochdeutsche und frühmittelhochdeutsche Literatur, Literatur und Historiographie bzw. Literatur und Geschichte, mhd. Weltchronistik, frühneuhochdeutscher Prosaroman.
Reihentext
Es ist das Anliegen dieser Buchreihe, in der Dissertationen, Habilitationsschriften, sonstige monographische Darstellungen und Sammelbände erscheinen werden, die Interdisziplinarität der modernen Mittelalterforschung noch mehr hervorzuheben und zu fördern als dies bisher der Fall ist. Angenommen werden Arbeiten aus allen Gebieten der Mediävistik, sofern der Aspekt der Interdisziplinarität darin betont wird, d.h. sofern sie die Grenzen eines einzelnen Faches zu überschreiten suchen.