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9783895003028

Hackstein, Olav

Die Sprachform der homerischen Epen

Faktoren morphologischer Variabilität in literarischen Frühformen: Traditionen, Sprachwandel, sprachliche Anachronismen

2002
17,0 x 24,0 cm, 356 S., Leinen
58,00 €

ISBN: 9783895003028

Kurze Beschreibung

Die vorliegende Arbeit untersucht die Faktoren morphologischer Varianz in den homerischen Epen. Bei der Untersuchung dieser Erscheinung galt das Augenmerk der Forschung bislang hauptsächlich der Metrik und der Formelsprache. Indessen können weitere Faktoren namhaft gemacht werden: so vor allem die Vermischung sprachlicher Existenzformen (tradierte Dichtersprache und ionische Alltagssprache des Dichters) und das Phänomen in Gang befindlichen Sprachwandels. Die Ergebnisse der Untersuchung sind für verschiedene Zielgruppen von Relevanz:
- für den klassischen Philologen bei der Frage, wie archaisch und wie innovativ die homerische Sprache sein kann,
- für den Indogermanisten mit neuen Erkenntnissen über Archaismen und Neuerungen im frühgriechischen Verbalsystem
- und schließlich für den allgemeinen Sprachwissenschaftler mit einer historisch-vergleichenden Typologie des Ineinanderwirkens von gesellschaftlichem, medialem Wandel und sprachlichem Wandel.

Ausführliche Beschreibung

In der Forschung besteht heute Einigkeit darüber, dass die Sprache von Ilias und Odyssee in der Tradition einer jahrhundertealten, mündlich tradierten Formelsprache steht. Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage, inwieweit die homerische Sprache ausschließlich eine „tote Sprache” ist und wie groß der sprachliche Spielraum gewesen sein mag, neben der tradierten archaischen Formelsprache auch Elemente des „lebendigen” Altionischen des 8. Jh. v. Chr. einfließen zu lassen. Es wird die These verfochten, dass der Spielraum für „sprachliche Originalität” weitaus mehr genutzt wurde als bisher angenommen und dass das Dichteridiom von Ilias und Odyssee der altionischen Alltagssprache des 8. Jahrhunderts v. Chr. ebenfalls sehr viel näher stand als bisher vermutet. Eine systematische Untersuchung der homerischen Verbalmorphologie fördert durchweg auch sprachlich jüngere Formen zutage, die scheinbar anachronistisch entweder erst später etablierte morphologische Ausgleichsprozesse vorwegzunehmen scheinen (antizipatorische Anachronismen) oder hierin der späteren Sprache der klassischen Epoche sogar noch vorauseilen (isolative Anachronismen). Das Paradoxon sprachlich jüngerer Formen in sprachlich älteren Sprachepochen löst sich indessen, wenn man mit verschiedenen synchronen Sprachschichten rechnet, mindestens mit einer neben der konservierenden Formelsprache stehenden kontemporären Alltagssprache. Dafür dass alltagssprachliche Formelemente an sprachlichen Ausgleichserscheinungen teilnehmen, die sich entweder erst später oder auch nie durchsetzen, d.h. späterer Normierung zum Opfer fallen, gibt es in der Sprachgeschichte anderer europäischer Sprachen viele Beispiele.
Eingeordnet in den beschriebenen Erklärungszusammenhang können viele Rätsel der sprachwissenschaftlichen Homererklärung einer Lösung zugeführt werden. Viele Formen, deren Echtheit bisher in Zweifel gezogen wurde, sind jetzt von sprachwissenschaftlicher Seite nicht mehr zu beanstanden.
Nicht allein die Textkritik profitiert dabei von den Ergebnissen der Untersuchung, sondern auch einige in der Indogermanistik vieldiskutierte Formen können einer neuen ausgewogenen Deutung zugeführt werden. Von Bedeutung für die griechische Sprachwissenschaft sind ferner systemhafte Neuerungen im frühgriechischen Verbalsystem, die bisher nicht als solche erkannt worden sind. So kann die Arbeit insgesamt als Supplement zum Verbalteil von Pierre Chantraines Grammaire homérique gelten (Tome I: Phonétique et morphologie. 5., korr. Auflage. Paris 1973).

Autoreninfo

Olav Hackstein
Studium der Historisch-Vergleichenden Spachwissenschaft, Klassischen Philologie und Indologie an den Universitäten Freiburg i. Br., University of Pennsylvania (Philadelphia, USA). Magister Artium 1987, Staatsexamen Griechisch, Latein 1989/90, Promotion 1993, Habilitation 1999. Seit 1994 wissenschaftlicher Assistent an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Forschungsschwerpunkte: Altgriechisch, Tocharisch, Theorien des Sprachwandels, Sprachwandel und Sprachnorm im Neuhochdeutschen, Historische Syntax..

Schlagworte

Altgriechisch (36) || Altindisch || Altrussisch || Editorische Prinzipien der Homeredition || Faktoren morphologischer Variabilität || Frühneuhochdeutsch (13) || Geschichte der griechischen Sprache || Hellenische Sprachen (49) || Hesiod (3) || Homer (2) || Homerische Hymnen || Homerkritik || Indoeuropäische Sprachen (445) || Indogermanistik (54) || Klassisch-Armenisch || Klassische Philologie (12) || Phänomene des Sprachwandels || Sprache des frühgriechischn Epos || Sprachwissenschaft (137) || Sprachwissenschaft, Linguistik (729) || Tocharisch (3) || griechische Lyrik || in Gang befindlicher Sprachwandel || medialer Wandel || sprachlicher Wandel || Übrige Germanische Sprachwissenschaft (11)