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9783895000461

Herausgegeben von Veit Probst und Karin Zimmermann, beschrieben von Dorothea Walz

Die historischen und philosophischen Handschriften der Codices Palatini Latini in der Vatikanischen Bibliothek

Codex Palatinus Latinus 921 bis 1078

1999
20,0 x 28,0 cm, 390 S., 1 farb. Abb., Broschur
78,00 €

ISBN: 9783895000461

Kurze Beschreibung

Die größte und bedeutendste deutsche Bibliothek in der frühen Neuzeit war die Heidelberger Bibliotheca Palatina. Als Folge der Eroberung Heidelbergs 1622 im Dreißigjährigen Krieg gelangte sie 1623 als Kriegsbeute nach Rom. In der dortigen Vatikanischen Bibliothek befindet sich der größte Teil der Handschriften noch immer. Der Verlust war nicht nur für Heidelberg, sondern für die gesamte damalige Gelehrtenwelt schmerzlich. Zahlreiche bedeutende Dichter und Gelehrte wie die Humanisten Rudolf Agricola, Jakob Wimpfeling, Konrad Celtis, aber auch Mediziner, Astronomen, Mathematiker, Bibliothekare, Historiker hatten zum Ruhm der Bibliothek beigetragen. Viele Textausgaben waren auf der Grundlage von Codices der Palatina erschienen. Stand die Palatina bis 1622 im Brennpunkt der Gelehrsamkeit, wurde es nach ihrer Ankunft im Vatikan still um sie. Die Handschriften und ein Großteil der Drucke wurden für mindestens zwei Jahrhunderte in der päpstlichen Bibliothek streng bewahrt, und nur wenige Gelehrte hatten Zugang. Von deutscher Seite wurden noch bis ins 20. Jahrhundert Ansprüche auf Wiedergewinnung der berühmten Bibliothek gestellt – zumindest teilweise mit Erfolg: 1816 wurden 847 deutsche Handschriften zurückgegeben.
Die lateinischen Bände der Bibliothek waren lange Zeit nur unzureichend erschlossen. Mit dem vorliegenden Band 3 des Handschriftenkatalogs der Universitätsbibliothek Heidelberg, der die Katalogisierung der Codices Palatini Latini mit den philosophischen und historischen Handschriften fortsetzt, wird eine Lücke der Forschung geschlossen.
Der Bestand enthält Teile der Bibliothek der pfälzischen Kurfürsten, von frühen Sammlungen aus dem 14. und 15. Jahrhundert bis zur Büchersammlung des Kurfürsten Ottheinrich (1502–1559), der zum ersten Mal Bücher im großen Stil erwarb. Durch Ottheinrichs Sammelleidenschaft wurde die Bibliothek entscheidend bereichert: er betrieb die Auflösung zahlreicher Klosterbibliotheken, unter anderem der Bibliothek des Klosters Lorsch, der Zisterzienserklöster der Pfalz, z. B. Schönau bei Heidelberg, auch der Dombibliothek Mainz, und überführte die Bücher in den Bestand seiner Bibliothek. Aus diesen alten Bibliotheken stammen wertvollste Bücher aus karolingischer Zeit, Autographe und historisch bedeutende Zeugnisse, z. B. die Lorscher Annalen.
Weiteren wichtigen Zuwachs erfuhr die Bibliotheca Palatina durch eine Schenkung Ulrich Fuggers (1526–1584), dessen Sammlung die Handschriften des Florentiner Humanisten Giannozzo Manetti enthielt. Die Manetti-Sammlung gilt als eine der bedeutendsten Renaissance-Bibliotheken und enthält sowohl die eigenen Werke des berühmten Philologen und Historikers als auch einen repräsentativen Querschnitt der humanistischen Literatur des italienischen Quattrocento. Zu den wertvollsten Bänden der Palatina gehören der von Ottheinrich aus Lorsch erworbene spätantike Vergilius Palatinus (Pal. lat. 1631) sowie das berühmte Falkenbuch Kaiser Friedrichs II. (Pal. lat. 1071, s. Abb.).

Rezensionen

„Hier handelt es sich wohl um den anspruchsvollsten und schwierigsten Teil der Bibliotheca Palatina, den die habilitierte Mittellateinerin Walz in einer allen Ansprüchen genügenden Weise erschlossen hat. Unter den rund hundert „philosophischen“ Handschriften steht zwar die berühmteste Zimelie der Palatina, das „Falkenbuch Kaiser Friedrichs II.“ (Vat. Pal. lat. 1071), doch ist dieses attraktive Buch eine Ausnahmeerscheinung in einem Umfeld von sehr speziellen, oft schwer lesbaren Gelehrtenhandschriften. Sie führen ins Zentrum des Universitätslebens des Spätmittelalters; sie dokumentieren die verschiedenen Wege der Aneignung aristotelischer Wissenschaft und die Ansätze zu ihrer Überwindung. Neben Albertus Magnus, Averroes, Buridan, Wilhelm Ockham und Thomas von Aquin erscheinen die Namen derer, die die Universität Heidelberg zuerst bekannt gemacht haben: Marsfilius von Inghen, Konrad von Gelnhausen, Matthias von Kemnat; zu den beiden ersten hat Frau Walz bereits eigene Forschungen vorgelegt. Die Reihe der Handschriftenbeschreibungen liest sich hier wie ein Quellenbuch zu Gerhard Ritters „Die Heidelberger Universität“ (1936); Universitäts- und Stadtgeschichte werden zweifellos gerade auf diesen Katalogband rekurrieren. Daneben ist auch der Florentiner Humanismus in dem jetzt neu erschlossenen Teil des Fonds vertreten durch die Bücher des Giannozzo Manetti (gest. 1459), die über den Augsburger Sammler Ulrich Fugger (gest. 1584) in die Palatina kamen.
Die Universitätsbibliothek Heidelberg zählt das Buch als dritten Band der „Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg“; sie hat das sich über viele Jahre erstreckende Unternehmen getragen; der Beteiligung von Veit Probst und Karin Zimmermann bei der Drucklegung ist auf dem Titelblatt Rechnung getragen. Die Palatina ist mit dem gehaltvollen Band ihrer alten Heimat Heidelberg wieder ein Stück näher gerückt.“

In: Rhein-Neckar-Zeitung vom 12. April 2000.

Schlagworte

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