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9783895001833

Herausgeber: Ruhe, Ernstpeter

Sydrac le philosophe. Le livre de la fontaine de toutes sciences

Edition des enzyklopädischen Lehrdialogs aus dem XIII. Jahrhundert

2000
17,0 x 24,0 cm, 510 S., 2 farb. Abb., Leinen
68,00 €

ISBN: 9783895001833

Kurze Beschreibung

Das ‚Sydrac le philosophe’ zugeschriebene „Livre de la fontaines de toutes sciences“ ist ein enzyklopädisches Werk, das während des 13.-16. Jahrhunderts besonders in Frankreich und durch viele Übersetzungen auch in anderen volkssprachlichen Literaturen Europas eine beachtliche Wirkung entfaltet hat. Thematisch breit gefächert, vermittelt es – in Form eines losen Dialoges zwischen dem Philosophen und König Boctus – religiöses, ethisches, medizinisches und naturkundliches Wissen. Auch zu komplexen Problemen – Fragen zum astrologischen Wissen beispielsweise, das hier zum erstenmal in der Volkssprache detailliert zugänglich gemacht wird – versucht der anonyme Verfasser stets, mit möglichst klaren Anworten Orientierung und Lebenshilfe zu geben.
Mit dieser Edition wird die letzte terra incognita im Bereich der volkssprachlichen Enzyklopädien Frankreichs für die Forschung zugänglich gemacht, nachdem die übrigen Werke – Le Livre du Trésor von Brunetto Latini, L’Image du monde von Gossouin de Metz und der anonyme Dialog Placides et Timéo – inzwischen in modernen Ausgaben vorliegen.

Rezensionen

„Der „Livre de Sydrac le philosophe“ oder auch „Livre de la fontaine de toutes sciences“ stellt eine der großen Enzyklopädien des französischen Mittelalters dar und ist aufgrund seiner Sprache wie auch seines Inhalts in eine Reihe zu stellen mit dem „Livres dou Tresor“ des Brunetto Latini (ca. 1267, BrunLatC), der „Image du Monde des Gossouin de Metz“ (ca. 1246/47 ImMonde) und dem anonymen Lehrdialog „Placides et Timeo“ (Ende 13. Jh., PlacTimT). Abgehandelt werden in Form eines Dialogs, mit Frage und Antwort, zwischen dem Philosophen Sidrac und dem König Boctus von Bactriane alle Gebiete mittelalterlich enzyklopädischen Wissens. Mittelalterliche Übersetzungen in andere Volkssprachen existieren für das Okzitanische, Italienische (zumindest 4 Versionen), Katalanische, Flämische, Deutsche und Dänische. Auch dies ist als Beleg für die Bedeutung des Textes für die Geistesgeschichte des Mittelalters zu sehen.
Überliefert wird er uns im Altfranzösischen in zwei Versionen: in einer kurzen, 613 Fragen umfassenden, und in einer langen, 1225 Fragen aufweisenden Fassung. Die Kurzfassung, auf das 3. Drittel des 13. Jahrhunderts zu datieren, wurde ediert in zwei unpubliziert gebliebenen Dissertationen in Chapel Hill von Sapelor Treanor (SidracT, 1939) und William M. Holler (SidracH, 1972).
Nun legt Ernstpeter Ruhe die Edition der langen Version vor (SidraCLR), die ebenfalls auf das 3. Drittel des 13. Jahrhunderts zu datieren ist. Als Basishandschrift dient ihm der Kodex London, BL Add. 17914, die er anhand anderer Manuskripte, vor allem Marseille, Bibliotheque Municipale 733, und Oxford, Bodleian Library, Bodley 461, kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert (insgesamt sind 19 Kopien und 11 Druckauflagen zwischen 1486 und 1533) erhalten.
Da der angekündigte Untersuchungsband zu der Edition noch nicht erschienen ist, fällt es schwer, alle im Text verborgenen Schätze entsprechend zu bewerten. Es finden sich unter anderem ein astrologisch-astronomischer Traktat (Fragen 957-1063), ein Lapidarium (1065-1091) und ein Herbarium (1092-1142). Ruhe nennt als Quellen im Vorwort die Übersetzung I des „Elucidarium, Le Miroir du Monde“, den „Lapidaire de Philippe“ und die „Image du Monde.“
Die eigentliche Edition, 422 (!) relativ eng bedruckte Seiten, macht einen sehr zuverlässigen Eindruck und orientiert sich an den nach Meyer/Roques von Foulet/Speer vorgegebenen Regeln.
Hilfreich für das Textverständnis sind ein Glossar (425-54), das Verzeichnis der Personennamen (455-58) und ein Thematischer Index (459-90).
Mit dieser Ausgabe stellt Ernstpeter Ruhe der Romanistik wie auch der Mediävistik einen Text zur Verfügung, der den einzelnen Disziplinen (von der Philologie bis hin zur Geschichte der Naturwissenschaften) mit Sicherheit zu neuen Erkenntnissen verhelfen wird. Dafür sei ihm schon jetzt gedankt. Dem Erscheinen des Kommentarbandes dürfen wir mit Freude entgegensehen; er wird Anlass für eine ausführliche Würdigung sein.“

In: Vox Romanica. 61 (2002). S. 327-328.

Schlagworte

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