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Niehoff-Panagiotidis, Johannes
Übersetzung und Rezeption
Die byzantinisch-neugriechischen und spanischen Adaptionen von »Kalila wa-Dimna«
2003
17,0 x 24,0 cm, 320 S., Leinen
ISBN: 9783895002700
17,0 x 24,0 cm, 320 S., Leinen
56,00 €
ISBN: 9783895002700
Kurze Beschreibung
Seit längerer Zeit interessiert sich die Forschung für Fragen des Kultur- und Sprachkontaktes, der Hybridisierung, der Kulturzonen überschreitenden Grenzgänger. Trotz der nicht immer einfachen Quellenlage werden diese Fragestellungen mit großem Erfolg auch auf das Mittelalter angewandt. Byzanz nimmt in der mittelalterlichen Kultur ein Sonderstellung ein, doch lassen sich Beispiele für diese Thematik auch hier mühelos finden. Besonders geeignet ist dazu natürlich ein Text, der bei seiner „Wanderschaft“ gleich mehrfach übersetzt wurde – von Personen, die auch Grenzgänger waren. Und welches Buch könnte sich als Exempel besser dazu eignen als „Kalilah wa – Dimnah“?Ausführliche Beschreibung
Der indische Fürstenspiegel Pancatantra gehört zu den meistgelesenen und am häufigsten übersetzten Werken der Weltliteratur.Sein Original wurde auf Sanskrit verfasst, zahllose Rezensionen und Bearbeitungen folgten, und schon in der Spätantike gelangte es in einer mittelpersischen (Pahlawi-) Fassung in den Westen, die mittlerweile verloren ist. Deren arabische Fassung, die schon Kalilah wa-Dimnah hieß, stammt von einem der brühmtesten Literaten der frühen Abbasidenzeit, Ibn al-Muqaffa und trat vom arabisch-islamischen Kulturraum aus ihren Siegeszug durch das mittelalterliche Europa an, der bis in das 16. Jahrhundert andauerte.Dass diejenigen Gebiete Europas, die auch sonst am stärksten in Kontakt mit der arabischen Welt standen, besonders an der Übersetzung und Weitervermittlung von Kalilah wa-Dimnah beteiligt waren, ist im Falle der Iberischen Halbinsel bekannt.Ungeklärt ist diese Rolle bisher jedoch, was Byzanz, die andere Kontaktstelle zum Islam, betrifft. Die Überlieferungsgeschichte der verschiedenen griechischen Fassungen ist nur für die älteste geklärt, welche der Arzt Simeon Seth unter dem byzantinischen Kaiser Alexios I. (1081 bis 1118) anfertigte.Die Enstehung der übrigen griechischen Versionen, ihr Verhältnis zum arabischen Original und zu den verschiedenen bekannten neugriechischen Bearbeitungen ist bisher weitgehend ungeklärt.
Das vorliegende Buch versucht, diese Fragestellung in einem breiteren Rahmen zu lösen: Literarische Übersetzung setzt, und besonders im Mittelalter, eine Reihe von Gegebenheiten voraus, deren Kenntnis wiederum für Fragen des Kulturkontakts, der Mehrsprachigkeit in traditionellen Gesellschaften und der Kommunikationswege zu dieser Zeit bedeutsam ist. Daher erwies sich der systematische Vergleich der literarischen Kontakte zwischen Byzanz und den Arabern mit dem parallelen, aber doch auch wieder verschiedenen Fall der Iberischen Halbinsel als notwendig, um dem Problem literarischer Rezeption zwischen unterschiedlichen Kulturräumen gerecht zu werden.
An der Schnittstelle zwischen dem mittelalterlichen Europa, dem arabisch-islamischen Kulturraum und Byzanz lag Sizilien. Über Jahrhunderte existierten hier drei Weltsprachen - und Literaturen neben - und miteinander. Die Rolle, welche die trikulturelle Insel beim Kulturkontakt zwischen Ost und West gespielt hatte, ist schon länger bekannt. Unklar war jedoch die Bedeutung, die sie für die Übersetzung orientalischen Erzählgutes, wie eben Kalilah wa-Dimnah, ausgeübt hat.
Dieses Buch versucht den Nachweis zu erbringen, dass die sich der Anteil, der dem auch sonst als Übersetzer naturwissenschaftlicher Schriften bekannten Eugenios von Palermo bei der Übertragung von Kalilah wa-Dimnah zugeschrieben wird, literarisch und rezeptionsgeschichtlich genau abgrenzen lässt.Eugenios war aber auch ein hoher Politiker und Militär - sein Werk, zu dem auch die Übersetzung von Kalilah wa-Dimnah gehört, ist somit auch repräsentativ für die Stellung, die das griechische Element Siziliens bei der Konstituierung der normannischen und staufischen Monarchie einnahm.
Rezensionen
„Kein anderer Verfasser kann heutzutage eine derartig umfassende komparative Studie vorlegen, die eine ganze Reihe von Ost- und Westsprachen umspannt und die es vermag, die komplizierten Anfänge der neugriechischen Literatur im Sammelbecken des byzantinischen Schrifttums und im Spannungsfeld der Stillagen zwischen „Hoch-“ und „Volks“-Sprache in einem mittelmeerweiten komparativen Ansatz zu stellen. Byzantinistik und Neogräzistik gewinnen durch solche Arbeiten, die zwischen philologischer und sprachwissenschaftlicher Analyse, zwischen Kulturforschung und Geschichte vermitteln und durch weitreichende Vergleiche von Einzelbeispielen das Eigenprofil der Entwicklung der griechischen Literaturtradition im zweiten Jahrtausend herausarbeiten. Methodische Rückstände und theoretisches Defizit der bisherigen Modellbildungen werden hier offenkundig. Dies ist, neben der philologischen Spezialfrage, der der Verfasser nachgeht, und der Vorbereitung einer kritischen Edition der sizilianischen Redaktion des „Stephanites“-Textes, der bedeutendste Gewinn, den die Forschung aus dieser Arbeit gewinnt.“Von Walter Puchner
In: Südost-Forschungen. 65/66 (2006/2007). S. 534-537.
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„N.-P.verbindet eine duetliche Positionierung und klare Abgrenzung von älteren Ansätzen und Ergebnissen mit einer sehr dichten Argumentation. Er leistet einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung mittelalterlicher Akkulturationsprozesse, indem er Einzelfälle nicht isoliert betrachtet, sondern kulturelle Wahrnehmungsmuster vergleichend analysiert und historisiert. Dabei kommt er zu Ergebnissen, die bisherige Annahmen über die Ursprünge der neugriechischen Literatur modifizieren. Für die Untersuchungen mittelalterlicher Texte unter Bedingungen der Interkulturalität setzt er neue Maßstäbe.“
In: Mittellateinisches Jahrbuch. 40 (2005) 1. S. 143-146.