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Hayoths Dzor – Xavasor
Ethnische, ökonomische und kulturelle Transformation eines ländlichen Siedlungsgebietes in der östlichen Türkei seit dem 19. Jahrhundert
1997
17,0 x 24,0 cm, 260 S., 30 s/w Abb., 36 s/w Strichzeichnungen, 36 Zeichnungen und Tabellen, Gebunden
ISBN: 9783895000423
17,0 x 24,0 cm, 260 S., 30 s/w Abb., 36 s/w Strichzeichnungen, 36 Zeichnungen und Tabellen, Gebunden
45,00 €
ISBN: 9783895000423
Kurze Beschreibung
Die Vertreibung der armenischen Bevölkerung aus Ostanatolien während des ersten Weltkriegs markiert gleichzeitig das Ende einer der ältesten Kulturen des Vorderen Orients in ihrem ursprünglichem Siedlungsraum. Trotz dieser einschneidenden historischen Wende ist bis heute nahezu unbekannt, welche Prozesse sich anschließend in den zahllosen ehemals armenischen Siedlungen vollzogen. So ist es nach wie vor weitestgehend unerforscht, nach welchen Gesichtspunkten die kurdische Einwanderung verlief und welche kulturellen Veränderungen sich hierdurch vor Ort ergaben, aber auch in welchem Ausmaß Traditionen der Vorkriegszeit in der Region weiterhin fortbestehen.In diesem Buch wird erstmalig ein ehemals armenisches und heute kurdisches Siedlungsgebiet in Ostanatolien eingehend unter kulturhistorischen Aspekten betrachtet. Am Beispiel von etwa 40 Dörfern in der Provinz Van zeichnet der Autor zunächst Ort für Ort den jeweiligen Ablauf der armenischen Vertreibung nach und untersucht anschließend, nach welchen sozialen Kriterien sich die kurdische Ansiedlung vollzog, welche bodenrechtlichen Fragen die Inbesitznahme des zuvor armenischen Grundeigentums bestimmen und in wieweit sich Veränderungen von Siedlungsgrundrissen, Hausarchitektur und lokaler Infrastruktur auf diesen ethischen Wandel zurückführen lassen. Am Beispiel des Ortes Yedikilise rekonstruiert der Autor die Transformation des ehemaligen Klosters Varagavank in ein kurdisches Dorf.
Ausführliche Beschreibung
Die Vertreibung der armenischen Bevölkerung aus Ostanatolien während des ersten Weltkriegs markiert gleichzeitig das Ende einer der ältesten Kulturen des Vorderen Orients in ihrem ursprünglichem Siedlungsraum. Trotz dieser einschneidenden historischen Wende ist bis heute nahezu unbekannt, welche Prozesse sich anschließend in den zahllosen ehemals armenischen Siedlungen vollzogen. So ist es nach wie vor weitestgehend unerforscht, nach welchen Gesichtspunkten die kurdische Einwanderung verlief und welche kulturellen Veränderungen sich hierdurch vor Ort ergaben, aber auch in welchem Ausmaß Traditionen der Vorkriegszeit in der Region weiterhin fortbestehen.In diesem Buch wird erstmalig ein ehemals armenisches und heute kurdisches Siedlungsgebiet in Ostanatolien eingehend unter kulturhistorischen Aspekten betrachtet. Am Beispiel von etwa 40 Dörfern in der Provinz Van zeichnet der Autor zunächst Ort für Ort den jeweiligen Ablauf der armenischen Vertreibung nach und untersucht anschließend, nach welchen sozialen Kriterien sich die kurdische Ansiedlung vollzog, welche bodenrechtlichen Fragen die Inbesitznahme des zuvor armenischen Grundeigentums bestimmen und in wieweit sich Veränderungen von Siedlungsgrundrissen, Hausarchitektur und lokaler Infrastruktur auf diesen ethischen Wandel zurückführen lassen. Am Beispiel des Ortes Yedikilise rekonstruiert der Autor die Transformation des ehemaligen Klosters Varagavank in ein kurdisches Dorf.
Breiter Raum wird den Fragen nach möglichen Veränderungen der Landnutzung, nach einem Wandel von Anbauprodukten und der Neuordnung der örtlichen Hochalmwirtschaft gegeben.
Eine intensive Bearbeitung der Vorkriegsliteratur ermöglicht zudem Aussagen über den Umfang einer kontinuierlichen Verehrung von Sakralstätten sowie die Weiterverwendung armenischer Orts- und Geländebezeichnungen. In einem abschließenden Kapitel betrachtet der Autor die geistige Auseinandersetzung der heutigen Bewohner mit der armenischen Vergangenheit ihrer Region und stellt die Frage nach der Einschätzung der damaligen Vorfälle durch die kurdische Lokalbevölkerung.
Der Autor verbindet in seinem Werk eine umfangreiche Auswertung bisher weitgehend unbekannten Quellenmaterials, darunter auch hier erstmalig publizierter Materialien aus der russischen Besatzungszeit der Provinz Van, mit mehrmonatigen Feldforschungsaufenthalten vor Ort.
Dem Leser eröffnet sich ein lebendiger und tiefgehender Einblick in die jüngere kulturhistorische Entwicklung einer ländlichen Region in der Türkei, der eine weite Bandbreite neuer Forschungsaspekte umfaßt und wertvolle Ansätze für die künftige Ostanatolienforschung bietet.
Rezensionen
„Das Problem dieses Buches - wenn man es denn so nennen will - liegt auf einer anderen Ebene: Es stellt seine Ergebnisse zu sehr unter den Scheffel. Denn G. Wiessner hat - neben dem oben Skizzierten - eine Fülle auch zu kurdologischen Forschungsfragen beigetragen. Die Herkunft der stammeslosen Kurmanci, die Geschichte des Bukri-Stammes, seine politische Präsentation und Gefolgschaftsfraktionen heute, Zäsuren in der Oral History der Kurden, solche Ergebnisse u.v.a. gehen fast unter im Fluß der Darstellung der Regionsgeschichte.Zu bemängeln an der vorliegenden Untersuchung ist lediglich, daß die Einbindung der regionalen Geschichte in eine „große“ und allgemeine Geschichte nur wenig stattfindet. Auffällig wird dies u.a. in den Abschnitten über den Genozid 1915. So spricht Wiessner auf S. 58 ff. von armenischen Verteidigern, von bewaffneten armenischen Gruppen. Wer waren diese? Rekrutiert aus der Region, aus urbanen Zentren, aus dem russischen Armenien? Ebenso erwähnt er S. 59 Beispiele kurdischer Hilfe für die Armenier, wie es sie ja andernorts auch gegeben hat. Hier hätten wir - gerade auch durch Vergleiche mit anderen Regionen - gern mehr gewußt. Diese Einschränkungen sollen aber nicht verdecken, daß Wiessners Arbeit unseren Kenntnisstand über Ereignisse, die aus einer ganzen Reihe von Gründen im dunkeln liegen, erheblich bereichert.“
In: Orient. Opladen. 40 (1999) 2.
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„Insbesondere Gunnar Wießners fundierte Analysen des auf die Armeniervertreibung folgenden Zuzugs kurdischer Einwanderer und der damit verbundenen Wandlungsprozesse sowie – ohne daß sich der Autor dabei auf eine politische Diskussion einlassen würde – die aktuellen Bezüge zu den Auswirkungen des kurdisch-türkischen Konflikts auf die Lokalbevölkerung machen die vorliegende Studie sehr interessant.“
In: Tribus. 47 (1998). S. 306-307.
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„Insgesamt muß diese Arbeit von Wießner als ein gelungener Beitrag zur Versachlichung einer lange einseitig geführten Diskussion verstanden werden. Es war längst an der Zeit, daß von einem Angehörigen einer unbeteiligten Nation ein neutraler Kommentar zur Entwicklung dieser Region im 20. Jahrhundert geschrieben wurde. Vielleicht trägt diese Publikation dazu bei, ethnische Wunden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts allmählich vernarben zu lassen.“
In: Orient. 39 (1998) Nr. 3.