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9783895004858

Herausgeber: van Ess, Margarete; Weber-Nöldeke, Elisabeth

Dr. Arnold Nöldeke, Briefe aus Uruk-Warka 1931 bis 1939

2008
17,0 x 24,0 cm, 348 S., 1 farb. Abb., 85 s/w Abb., Gebunden
49,00 €

ISBN: 9783895004858
Inhaltsverzeichnis
Probekapitel

Kurze Beschreibung

Arnold Nöldeke, Leiter der Ausgrabungen in Uruk-Warka von 1931 bis 1939, berichtete in privaten Briefen an seine Familie über Land und Leute des Süd-Irak sowie über die heute kaum noch bekannten Hintergründe wissenschaftlicher und kulturpolitischer Entscheidungen dieser berühmten deutschen Ausgrabung. Schwer vorstellbar aus heutiger Sicht ist das Leben des Grabungsteams in der damaligen Zeit, in der Kommunikations- und Versorgungswege erst noch ausgebaut werden mussten. Die Briefe spiegeln gleichzeitig den immer stärker werdenden Einfluss nationalsozialistischer Politik auf das Privatleben einer durchschnittlichen deutschen Wissenschaftlerfamilie und die wissenschaftliche Betätigung im Ausland.

Ausführliche Beschreibung

Arnold Nöldeke leitete von 1931 bis 1939 die berühmten deutschen Ausgrabungen in Uruk-Warka im Süd-Irak, die heute vom Deutschen Archäologischen Institut im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Direktors des Vorderasiatischen Museums zu Berlin durchgeführt werden. Arnold Nöldeke war als Architekt mehrere Jahre an den Ausgrabungen in Babylon beteiligt gewesen, hatte später an verschiedenen Orten in Palästina und Ägypten mitgearbeitet und besaß so die notwendige Erfahrung für die Leitung einer vorderorientalischen Ausgrabung.
Uruk-Warka gehört zu den frühen Großstädten im Alten Mesopotamien, war zwischen dem 5. Jahrtausend v. Chr. und ca. 300 n. Chr. besiedelt und ist Schauplatz mehrerer sumerischer Legenden und Epen, deren bekanntestes das „Gilgamesch-Epos“ ist. Der Schwerpunkt der archäologischen Forschungen unter der Ägide Arnold Nöldekes lag auf der Freilegung von Architektur aus der mesopotamischen Frühzeit. Die Grabungen schrieben sowohl inhaltlich als auch methodisch Wissenschaftsgeschichte. Für diese Ausgrabungen, die alljährlich in den Wintermonaten stattfanden, wurde Arnold Nöldeke von seiner Tätigkeit im Landesamt für Denkmalpflege Hannover freigestellt und reiste für mehrere Monate in den Irak.
Arnold Nöldekes Briefe an seine Familie thematisieren die wissenschaftlichen Ergebnisse der Ausgrabung nur wenig. Sie beschreiben vielmehr den Grabungsalltag und die Lebensumstände des deutschen Teams im Süd-Irak sowie die typischen logistischen Schwierigkeiten der damaligen Zeit. Zudem erläutern sie das kulturpolitische Agieren deutscher und irakischer Wissenschaftler und einige politische Ereignisse im Irak, deren Beweggründe heute kaum mehr bekannt sind. Vor dem Hintergrund des zunehmend nationalsozialistischer werdenden Deutschland sind darüber hinaus die Einblicke in die privaten Lebensverhältnisse der Familie sowie die Anstrengungen, die Ausgrabungen von Uruk in Deutschland kulturpolitisch zu positionieren, wissenschaftshistorisch interessant.

Rezensionen

„Arnold Nöldeke (1875-1964) is one of the unsung heroes of Mesopotamian exploration, working as an architect at the German Babylon excavations (1902-1908) and directing those at Uruk from 1931 through 1939, yet not receiving the recognition of an entry in the „Reallexikon der Assyrologie und Vorderasiatischen Archäologie“. (...)
This book is thus more about a German archaeologist than German archaeology, yet it is entertaining and well worth reading by anyone who desires to gain a deeper understanding of the pioneers of our disciplines. It is provided with eighty-three illustrations, the majority of them vintage photographs, and a bare-bones index.“

By Gary Beckman

In: Journal of the American Oriental Society. 129.2 (2009). pp. 375-376.

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„Einen Ausflug in die Praxis archäologischer Forschungen gewähren die Briefe des Archäologen Dr. Arnold Nöldeke, der in den Jahren von 1931 bis 1939 im Irak Grabungsleiter in der antiken Wüstenmetropole Uruk-Warka war.

Anfang des 3. Jahrtausends vor Christus befand sich in diesem Teil Mesopotamiens, südlich von Bagdad, am Euphrat gelegen eine antike Weltstadt mit zwei bis heute bedeutenden Heiligtümern. Aus Lehmziegeln errichtet sind von den einst prachtvoll geschmückten Bauten nur sehr wenige Reste erhalten geblieben. Von den geborgenen Funden erzählen die Briefe nur wenig, sondern viel mehr über die Widrigkeiten der Arbeits- und Lebensbedingungen der Forscher während der Grabungszeit. In den wöchentlichen Briefen, die Nöldeke während der insgesamt sieben Grabungskampagnen in den Wintermonaten an seine Familie in die Heimat schreibt, entfaltet sich ein Grabungstagebuch wie man es heute kaum noch nachvollziehen kann. Unter schwierigsten Bedingungen versucht Nöldeke mit einfachsten Mitteln und mit persönlichem Einsatz den Alltag so angenehm wie möglich zu organisieren.

Eigentlich fehlte es an allem, was das Leben auch in den 1930er Jahren bereits bequem machte. Es gab kein fließendes Wasser, keinen Strom, nur Wüste, Lehm und in Regenzeiten viel Schlamm. Die Unterkünfte bestanden aus Zelten und Bretterbuden bis Nöldeke aus den Erfahrungen der antiken Lehmziegeltechnik lernend in wenigen Wochen neue Unterkünfte bauen ließ. Diese waren nicht nur mit einfachen Mitteln zu bauen, sondern erwiesen sich in dem wechselhaften Klima temperaturtechnisch als ausgesprochen angenehme Behausung.
Ständig den Blick zum Himmel gerichtet, ob das Wetter auch mitspiele, organisierte Nöldeke komplizierteste Transporte durch die Wüste, auch dann, wenn der Regen mal wieder die gesamte Umgebung unter Wasser gesetzt hatte. Nicht selten kam es vor, dass die einheimischen Grabungshelfer die Arbeit verweigerten und versuchten, ihre Konflikte untereinander oder gegenüber der Irakischen Regierung zu Lasten der Grabungsleiter auszutragen. Dann griff Nöldeke ein und brachte mit viel diplomatischem Geschick und großer Sensibilität gegenüber den Stammesführern die Grabungshelfer wieder an die Arbeit.
Briefe und Nachrichten aus der Heimat brauchten mehrere Tage, sogar das 300 Kilometer entfernte Bagdad lag unendlich fern. Jede An- und Abreise nach Warka wurde zur logistischen Meisterleistung, und immer wieder drohte der Geldfluss aus Deutschland zu versiegen. Dass während dieser Jahre in Deutschland bereits der Nationalsozialismus sein Unwesen trieb, spielt in den Briefen Nöldekes so gut wie keine Rolle. Doch aufgrund seiner Haltung gegenüber seinen Mitarbeitern und der einheimischen Bevölkerung wird deutlich, dass er fremden Kulturen gegenüber durchaus aufgeschlossen war, den Menschen Respekt zollte und ihre Lebensgewohnheiten achtete. In Notsituationen half er spontan und völlig unbürokratisch. Die Liebe zur Archäologie und die Liebe zu den Erben dieser einstigen Hochkultur war sein ständiges Leitmotiv.

Das Buch braucht geduldige Leser. Nach einer kurzen Einleitung über die politischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Forschungsbedingungen zwischen Deutschland und dem Irak der 1930er Jahre folgen auf fast 300 Seiten die Briefe Nöldekes an seine Familie, begleitet von vielen Fotos und einigen Karten. Eigentlich passiert an diesem gottverlassenen Ort nicht sehr viel oder besser gesagt, Tag für Tag fast immer das Gleiche. Und doch hat man am Ende des Buches das Gefühl, einiges mehr über den Vorgang archäologischer Grabungen und ihre Forscher erfahren zu haben.“

In: Kunstbuchanzeiger.
http://www.kunstbuchanzeiger.de/de/themen/archaeologie/rezensionen/980/ (31.03.2009)

Autoreninfo

Margarete van Ess studierte Vorderasiatische Archäologie, Altorientalistik und Ur- und Frühgeschichte in Tübingen und Berlin. Sie wurde an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit über das Eanna-Heiligtum in Uruk promoviert. Seit 1996 ist sie wissenschaftliche Direktorin der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts und kommissarische Leiterin der Außenstelle Baghdad. Sie forscht zu Themen der Stadtentwicklung archäologischer Zentren in Süd-Mesopotamien (Irak) und im Libanon und legte verschiedene Material-Publikationen zu Keramik und Kleinfunden vor. Sie engagiert sich für den Erhalt des Kulturerbes im Vorderen Orient und ist Mitglied einer UNESCO-Kommission zu Irak.

Elisabeth Weber-Nöldeke, die Tochter Arnold Nöldekes, überließ dem Deutschen Archäologischen Institut großzügig den wissenschaftlichen Nachlass ihres Vaters.

Schlagworte

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