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Herausgeber: Lutz, Eckart Conrad; Jerjen, Vera; Putzo, Christine
Diagramm und Text. Diagrammatische Strukturen und die Dynamisierung von Wissen und Erfahrung
Überstorfer Colloquium 2012
2014
17,0 x 24,0 cm, 592 S., 13 s/w Abb., 143 farb. Abb., Leinen
ISBN: 9783954900169
17,0 x 24,0 cm, 592 S., 13 s/w Abb., 143 farb. Abb., Leinen
98,00 €
ISBN: 9783954900169
Kurze Beschreibung
Das Interesse an Diagrammen, der Diagrammatik und diagrammatischem Denken hat in allen Bereichen der Kulturwissenschaften in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen. Es geht hier darum, Konstrukte verschiedener Art als Diagramme zu erkennen und zu analysieren, das Feld der Diagrammatik von den Leistungen dieser Konstrukte her zu definieren, sie aber vor allem in ihrer Bedeutung für Denk- und Erkenntnisprozesse wahrzunehmen. Diagramme sind aufgrund ihrer Abstraktionsleistung geeignet, auf die komplexe und in ihrer Komplexität letztlich weder begreifliche noch beschreibbare Welt so zu verweisen, dass sich Grundstrukturen ihrer Ordnung isolieren und daher graphisch anschaulich machen lassen und dass damit zugleich der naive Blick auf die Welt einem neuen, bewussten weicht: das Diagramm regt an, bestimmte Merkmale der abstrakt geschauten Ordnung im natürlichen Erscheinungsbild der Welt analytisch wahrzunehmen, sie ›wiederzuerkennen‹ und so die Welt auf bestimmte Aspekte ihrer Ordnung hin zu durchschauen. Die in Diagrammen dieser Art aufscheinenden Strukturen geben zugleich Einblick in das Wesen ihres Urhebers, sind Medien der Gotteserkenntnis.Ausführliche Beschreibung
Diagramme, für die Isidors kosmologische rota als ‚bestes Beispiel‘ stehen kann, sind gerade aufgrund ihrer Abstraktionsleistung geeignet, auf die komplexe und in ihrer Komplexität letztlich weder begreifliche noch beschreibbare Welt so zu verweisen, dass sich Grundstrukturen ihrer Ordnung isolieren und daher graphisch anschaulich machen lassen und dass damit zugleich der ‚natürliche’ (naive) Blick auf die Welt einem neuen, bewussten weicht: das Diagramm regt an, bestimmte Merkmale der abstrakt geschauten Ordnung im natürlichen Erscheinungsbild der Welt analytisch wahrzunehmen, sie darin ‚wiederzuerkennen’ und so die Welt auf bestimmte Aspekte ihrer Ordnung hin zu ‚durchschauen‘. Und das Diagramm erlaubt zugleich zu verstehen, dass die ‚künstliche‘ (gelehrte) Abstraktionsleistung ihren Zweck erst erfüllt, wenn man die Spannung zwischen Abstraktion und nicht hintergehbarer Unergründlichkeit der Welt als Schöpfung akzeptiert und sich auf die erkenntnisstiftende gedankliche Bewegung zwischen beiden einlässt. Ziel der intendierten Erkenntnisprozesse ist dabei eine Zusammenschau (contuitus) unter denjenigen Aspekten, die zunächst abstrahierend herausgelöst wurden. Die in Diagrammen dieser Art aufscheinenden Strukturen geben zugleich Einblick in das Wesen ihres Urhebers, sind Medien der Gotteserkenntnis.Die Fragestellung des Colloquiums, dessen Erträge hier vorliegen, war eine genuin literarhistorische. Allerdings sollte das zentrale Interesse an der (in weiterem Sinn) literarischen Vermittlung gelehrten Wissens im höfischen Kontext erweitert werden durch die Einbeziehung analoger Phänomene in anderen Zusammenhängen, um die Beschreibung anderer Erscheinungsbilder diagrammatischen Denkens wie um dessen theoretische Reflexion. Das Spektrum der Beiträge reicht von der diagrammatischen Hinterlassenschaft der Antike bis zu verschiedenen Formen eines definitorisch zunächst offen zu haltenden, diagrammnahen oder eben diagrammatischen Denkens, das sich unter anderem in den Spielarten des Meditierens, des fiktionalen Erzählens, des historiographischen Schreibens oder des Spielens konkreter fassen lässt. Alle Erscheinungsformen des Diagrammatischen, von den einfachsten bis zu den komplexesten, von der konkret anschaulichen rota Isidors bis zu abstrakten, nur gedachten Text- und Bildstrukturen verbinden mit grosser Regelmässigkeit Effekte des Konstatierens, der Kristallisation mit solchen der Freigabe, der Dynamisierung, sind immer epistemisch relevant und bieten den Rezipienten die Möglichkeit, Wissensstände zu erweitern, Einsichten zu gewinnen und eigene Haltungen wie eigenes Handeln zu revidieren.
Autoreninfo
Eckart Conrad Lutz (*1951), o. Prof. der Germanistischen Mediävistik an der Universität Freiburg Schweiz seit 1989; Publikationen zu Vorgängen des Schreibens, Lesens und Erkennens.Vera Jerjen (*1984), Assistentin der Germanistischen Mediävistik an der Universität Freiburg Schweiz; Dissertation zu Thomasin von Zerclaere.
Christine Putzo (*1977), Maîtresse d’enseignement et de recherche für Germanistische Mediävistik an den Universitäten Lausanne und Neuchâtel seit 2013; Dissertation zu Konrad Fleck, ‚Flore und Blanscheflur‘; Habilitationsprojekt ‚Diagrammatisches Erzählen‘.