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Die Figur des Beduinen in der arabischen Literatur
9. bis 12. Jahrhundert
2006
17,0 x 24,0 cm, 264 S., Gebunden
ISBN: 9783895005312
17,0 x 24,0 cm, 264 S., Gebunden
68,00 €
ISBN: 9783895005312
Kurze Beschreibung
Im Zentrum der Studie steht die Beduinenfigur, die im Kontext nomadisch-sesshafter Beziehungen untersucht wird. Sie erfüllt bestimmte Funktionen im arabischen Diskurs: Aufgrund ihrer Ambivalenz und Ambiguität eignet sich die Beduinenfigur in besonderem Maße dazu, heikle Themen anzusprechen und Standpunkte einzubringen, die die geforderte politische, religiöse und soziale Anpassung subtil unterlaufen.Bislang fehlte jedoch eine monografische Arbeit, die die Beduinen als literarisches Phänomen analysiert. Die vorliegende Studie schließt diese Lücke und stellt eine literarische Figur vor, die eine von ihrer Herkunft unabhängige eigene Wirklichkeit und Bedeutung im Diskurs erlangt hat.
Ausführliche Beschreibung
Im Zentrum der Studie steht die Beduinenfigur, die in den Kontext nomadisch-sesshafter Beziehungen zu stellen ist. Im Fall der arabischen Literatur handelt es sich dabei überwiegend um den Blick Sesshafter auf den Nomaden. Wenn auch viele Elemente der Beduinenfigur der beobachteten Realität entnommen sein mögen, erfüllt sie jedoch unabhängig davon bestimmte Funktionen im arabischen Diskurs. Aufgrund ihrer Ambivalenz und Ambiguität eignet sich die Beduinenfigur in besonderem Maße dazu, heikle Themen anzusprechen und Standpunkte einzubringen, die die geforderte politische, religiöse und soziale Anpassung subtil unterlaufen.Obwohl der Beduine als literarisches Phänomen in der im weitesten Sinne „orientalistischen“ Fachliteratur durchaus wahrgenommen wird, fehlte jedoch bisher eine monografische Arbeit, die den Beduinen in den Fokus nimmt. Mit dieser Studie, die sich überwiegend literaturwissenschaftlicher Methodik bedient, soll in dieser Hinsicht eine Lücke geschlossen werden.
In den ersten beiden Kapiteln der Untersuchung wird dargestellt, dass der Beduine der arabischen Texte über ein festes Repertoire an Eigenschaften und Verhaltensweisen verfügt. Er prägt damit eine eigenständige literarische Figur aus. Gleichzeitig wird gezeigt, dass es sich um eine diskursive Figur handelt. Wichtige Themen des Diskurses, in denen die Beduinenfigur verwendet wird, kommen im dritten Kapitel zur Sprache.
Im vierten und fünften Kapitel werden jeweils Textbeispiele der Textsorten religiöse Literatur, Koran, tafsir, hadit und Prophetenbiografie, sowie säkulare Literatur, hauptsächlich adab und biografische Literatur, besprochen. Ausgehend vom Koran zeigt sich in den Werken der religiösen Literatur eine stereotype bzw. in ihren Bestandteilen formularische und konventionalisierte Beurteilung des Beduinen. Ambivalenter ist hingegen das Beduinenbild der schöngeistigen Literatur, das über ein sehr breites Spektrum an Ausprägungen der Figur verfügt. Die verschiedenen vorgestellten adab-Texte enthalten divergierende Positionen zu Themen des Diskurses. Mitunter sind ein und demselben Text unterschiedliche Stellungnahmen der Tradenten abzulesen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Studie darlegt, wie eine literarische Figur, deren Vorlage im nomadischen Kontext zu suchen ist, eine von dieser Herkunft unabhängige eigene Wirklichkeit und Bedeutung im Diskurs erlangt hat.
Rezensionen
„Diese Studie zur Figur des Beduinen in der arabischen hochsprachlichen Literatur beruht auf einer Dissertation, die Sara Binay (B.) an dem Institut für Orientalistik der Universität Halle-Wittenberg unter der Leitung von Stefan Leder verfasst hat. Sie ist als dritter Band der Reihe „Nomaden und Seßhafte“ erschienen, die für den Sonderforschungsbereich „Differenz und Integration“ 586 gegründet wurde. Dieser SFB befasst sich seit 2001 „mit den Beziehungen zwischen Nomaden und Seßhaften in Geschichte und Gegenwart“. Dort arbeitete B. im Teilprojekt A6 „Das Bild des Beduinen in der arabischen Schriftkultur: Wahrnehmung der Nomadenkultur und des arabischen Erbes im Mittelalter“.Gegenstand der Studie ist ausdrücklich nicht eine anthropologisch-ethnographische Beschreibung des Beduinen als Vertreter einer bestimmten sozioökonomischen Lebensweise, sondern seine Betrachtung als literarische Figur (S. 1).
Die Arbeit beginnt mit einer methodischen Einleitung (S. 1-35), in der die Autorin die wesentlichen Elemente der Diskursanalyse vorstellt und dann erläutert, weshalb und wie sie diesen Ansatz für die Fragestellung fruchtbar machen will. Auch wenn die Diskursanalyse an der Kommunikationsstruktur moderner Gesellschaften orientiert ist, kann er mit gewissen Modifikationen auf historische Diskurse angewendet werden, wie B. unter Anlehnung an M. Schöller betont (S. 4). So begreift sie den Beduinen als wichtiges Kollektivsymbol im Diskurs der arabischen Gelehrten, dessen wichtigste Merkmale Ambiguität und Ikonität sind. Ein Überblick über den Forschungsstand (S. 17-35) zeigt, dass sich diese Arbeit zu recht als Pionierarbeit (so S. 2) begreift, da es keine monographischen Vorarbeiten gibt.
Die Quellenbasis bildet eine Auswahl an hochsprachlichen arabischen Texten verschiedener Gattungen, die mit einer Ausnahme (s. u.) aus dem Zeitraum zwischen dem 9. und dem 12. Jhd. stammen, somit aus der Periode, die gemeinhin als ,klassische Zeit' betrachtet wird. Aufgrund der riesigen Materialfülle erhebt die Autorin keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern beschränkt sich auf ca. 100 repräsentative Texte, die in einem Anhang (S. 195-210) beigefügt sind. Im zweiten Kapitel (S. 37-61) zählt und erläutert sie die Motivik der Figur (u. a. Lebenswelt, Erscheinungsbild, Fähigkeiten, Charakter), welche die Beduinen zu einem wieder erkennbaren Kollektivsymbol macht. Im dritten Kapitel (S. 63-75) stellt B. die Themen/Diskursstränge vor, die dabei bearbeitet werden, wie z. B. die Rolle dieser Figuration für die sich bildende arabische Identität in abbasidischer Zeit, welche sich auf eine vermeintlich beduinische heroische Vergangenheit berief. Besonders hervorzuheben ist auch die gesellschafts- und herrschaftskritische Funktion des Beduinendiskurses. Die beiden letzten Abschnitte widmen sich der Analyse des Beduinen jeweils in der religiösen Literatur (S. 77-125) und in repräsentativen Werken der Adab-Literatur (S. 127-188). Ein Exkurs (S. 189-194) widmet sich schließlich versuchsweise einem Vergleich von Bauer und Beduinen als Symbolfiguren in der arabischen Kultur.
Es ist sehr zu begrüßen, dass dieser wichtigen Fragestellung zum ersten Mal eine monographische Studie gewidmet wird, die auf einer breiten Quellenbasis beruht. Die Arbeit ist klar strukturiert und gibt einen guten Einblick in eine Thematik, die schon aufgrund der schieren Materialfülle — potentiell die gesamte hocharabische Literatur der klassischen Zeit — den Forscher vor sehr große Herausforderungen stellt, was Auswahl und Eingrenzung betrifft, umso mehr, da Vorarbeiten fast gänzlich fehlen. (...)
Alles in allem ist dieses Buch eine eindrucksvolle Pionierarbeit, die allerdings durch eine Begrenzung auf ein klar abgrenzbares Genre an Stringenz gewonnen hätte. Es ist auf jeden Fall zu hoffen, dass es weitere, vertiefende Studien zu dieser Fragestellung anregt, denn ohne Zweifel ist der Beduine, der auch in der romantisierenden europäischen Wahrnehmung den ,echten Araber' darstellt, für die islamisch-arabische Kultur ein wichtiges Kollektivsymbol.“
In: Orientalistische Literaturzeitung. 103 (2008). 4-5. S. 590-593.
Autoreninfo
Sara Binay studierte Semitistik, Arabistik und Geschichte in Halle (Saale) und Damaskus/Syrien. 1999-2001 Bibliothekarin im Sondersammelgebiet Vorderer Orient/Nordafrika der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle/Saale. 2001-2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sonderforschungsbereich 586 „Differenz und Integration. Wechselwirkungen zwischen nomadischen und sesshaften Kulturen im altweltlichen Trockengürtel“ in Halle/Saale. 2005 Promotion mit „Die Figur des Beduinen in der arabischen Literatur (9. bis 12. Jahrhundert)“. Seit September 2005 wissenschaftliche Referentin am Deutschen Orient-Institut Beirut mit einem Forschungsprojekt über den libanesischen Witz.Reihentext
Hg. im Auftrag des SFB von Jörg Gertel, Stefan Leder,
Jürgen Paul und Bernhard Streck
Nomadische und sesshafte Lebensformen koexistieren in weiten Teilen der Welt, insbesondere im altweltlichen Trockengürtel, seit mehreren tausend Jahren. Die Erforschung ihrer Interaktion soll in der Reihe Nomaden und Sesshafte dokumentiert werden. Erst seit vergleichsweise wenigen Jahren hat die Einsicht an Geltung gewonnen, dass Nomadismus als Teil übergreifender ökologischer, ökonomischer, politischer und kultureller Systeme in den Blick genommen zu werden verdient, weil Formen des Kontakts mit der Welt der Sesshaften historische Zivilisationen über lange Zeiträume mitgeprägt haben und noch heute, unter anderen Bedingungen, Wirkung entfalten. Austausch und Konflikt zwischen Nomaden und Sesshaften, wie auch Prozesse der Anpassung und Abgrenzung haben sich auf unterschiedliche Lebensbereiche ausgewirkt. Ökonomie und Militärwesen, politische und soziale Ordnungen, Sprache und in Kunst, Vorstellungswelten und Identitätskonstruktionen geben dies zu erkennen. Mit der Wahrnehmung der Vielfalt und Wirkmächtigkeit dieser Interaktion ist eine Forschungsperspektive angelegt, welche die Aufgaben des 2001 einrichteten Sonderforschungsbereichs "Differenz und Integration – Wechselwirkung zwischen nomadischen und sesshaften Lebensformen in Zivilisationen der Alten Welt" bestimmt.
Der interdisziplinäre Rahmen des Sonderforschungsbereichs erlaubt die Beteiligung mehrerer Disziplinen, wie Archäologie und Geschichte, Literaturwissenschaft und Ethnologie, Geographie und Agrarökonomie; ihr Zusammenwirken verspricht Erträge, die eine Vielzahl von Perspektiven und Wissensbereichen erschließen.